Sumpffieber
die Augen niederschlug.
»Gut«, brüllte er los, doch bei dem Gedanken, daß er ihn nicht mehr schlagen konnte, vor Wut zitternd. »Jeder geht seiner Wege – der eine zum See, der andere zum Schollenhacken! Und da ich zu alt bin, um mit meinem Gliederreißen auf dem Wasser zu schlafen, werden wir weiter gemeinsam in der Hütte leben. Aber im übrigen kennt keiner den anderen mehr! Ah, wenn mein Vater, Suchets Bootsführer, den Kopf aufrichtete und die Schande der Familie sähe! ...«
Das erste Jahr war für Paloma voll von unaufhörlicher Qual. Kehrte er abends heim, so fand er neben den Fischereigeräten allerlei landwirtschaftlicheWerkzeuge, ja, stolperte eines Tages sogar über einen von Toni zur Reparatur mitgebrachten Pflug. Ein mitten in der Hütte liegender Drache hätte keine schlimmere Wirkung hervorrufen können ...
Alle diese blinkenden Stahle verursachten ihm ein Gefühl von Kälte und Ingrimm. Wenn er eine Sichel ein paar Schritte entfernt von seinen Netzen liegen sah, tat er so, als ob die gekrümmte Klinge ganz allein loszumarschieren vermöchte, um seine Garne zu zerschneiden, und beschimpfte die Schwiegertochter wegen ihrer Nachlässigkeit.
»Wirf sie 'raus, weit fort, diese ... diese ... Ackerbaugeräte«, keuchte er. »So etwas in der Hütte der Palomas, die keinen anderen Stahl kannten als die Klinge zum Öffnen der Fische! Sollte man nicht vor Wut platzen?«
Zur Saatzeit, wenn die trockene Erde umgelegt wurde und Toni, nachdem er den ganzen Tag mit gemieteten Pferden gepflügt hatte, schweißbedeckt heimkehrte, umstrich ihn der Vater boshaft schnüffelnd, um dann zur Taverne zu stürzen, wo seine Kameraden aus den guten alten Zeiten, das Glas in der Hand, vor sich hindösten.
»Caballeros, eine große Neuigkeit! Mein Sohn riecht nach Pferd ...«
»Hi, hi, hi«, lachten die Greise. Ein Pferd auf der Insel Palmar! Die Welt stand auf dem Kopf.
Abgesehen von solchen Entladungen bewahrte Paloma sein frostiges, abgesondertes Verhalten gegenüber der Familie seines Sohnes. Erst bei Einbruch der Nacht erschien er mit einigen zappelnden Aalen im Netz in der Hütte, worauf ein Stoß mit dem Fuß die Schwiegertochter aufforderte, ihm Platz am Herde zu machen. Denn seine Mahlzeiten bereitete er sich selbst. Manchmal rollte er die Aale zusammen, um sie mit einem Stäbchen zu durchbohren und geduldig von allen Seiten über der Flamme zu rösten; andere Tage kochte er in seinem geflickten Topf ein paar riesige Schleie oder bereitete ein Gemengsel aus Zwiebeln und Aalen, das für die halbe Einwohnerschaft genügt haben würde.
Die Gefräßigkeit teilte dieser kleine, dürre Greis mit allen bejahrten Söhnen der Albufera. Er kannte eigentlich nur eine einzige richtige Mahlzeit, abends, bei der Rückkehr vom Fischfang, und am Boden sitzend, den Topf zwischen den Knien, verbrachte er ganze Stunden damit, wie eine alte Ziege den Mund hin und her zu schieben und derartige Portionen zu verschlingen, daß man sich wunderte, wie ein menschlicher Magen sie aufnehmen konnte.
Er aß das seinige – das, was er tagsüber gefangen hatte, ohne sich um seineKinder zu kümmern, ohne ihnen etwas aus seinem Topfe anzubieten. Mochte sich jeder mästen nach seiner Arbeit! Und seine Äuglein blitzten schadenfroh, wenn er auf dem Familientisch nichts gewahrte als eine Schüssel Reis.
Toni ließ seinen Vater gewähren, und die Isolierung zwischen dem halsstarrigen Alten und den Seinen blieb bestehen. Das einzige Band war Tonet, der öfters, vom Duft des Topfes angezogen, näher schlich.
»Nimm, du armes Kind! Nimm!« sagte der Großvater mitleidig, als sähe er den Kleinen im tiefsten Elend, und freute sich, wie der den fetten Happen vertilgte.
Bisweilen spürte Paloma frühmorgens einen Abenteuerkitzel. Dann stakte er mit einem seiner Busenfreunde nach einem versteckten Ort der Dehesa, wo sie auf dem Bauch lange Stunden im Dickicht verharrten, bis sie sicher waren, daß kein Feldhüter sich in der Nähe befand. Zwei Schüsse knallten; zwei Kaninchen verschwanden unter dem Kittel – und Hals über Kopf rannte man zum Boot, um draußen vom See aus die nutzlos suchenden Männer mit dem Bandelier auszulachen.
»Das soll mir mal einer von den jungen Burschen nachmachen! ...« plusterte er sich in der Taverne abends beim Braten auf, zu dem seine Kameraden den Wein spendeten.
Und wenn bei solchem Fest ein paar Vorsichtige vom Gesetz und von den Strafen sprachen, reckte Paloma die durch Jahre und Staken gekrümmte
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