Sumpffieber
seinen Kindern keinen eigenen Willen anerkennt und über ihre Zukunft beschließt, ohne sie um ihre Meinung zu befragen.
»Du mußt heiraten! Im Hause fehlt eine Frau.«
Und Toni nahm diesen Befehl ebenso auf, als hätte der Alte ihn beauftragt, das große Boot klar zu machen, um in Saler einen Jäger aus Valencia abzuholen:
»Gut! Ich werde das so bald wie möglich in Ordnung bringen.«
Und während Toni auf eigene Faust suchte, machte sein Vater alle Gevatterinnen Palmars zu Mitwisserinnen dieser Absicht.
»Mein Junge wünscht sich zu verheiraten. Alles, was ich besitze, wird sein: die Hütte, das große Boot mit dem neuen Segel sowie das alte, das noch besser läuft; zwei Kähne und ein Haufen Netze. Dabei ist der Kleine arbeitsam, brav und dank einer guten Nummer bei der Auslosung frei vom Militärdienst. Schließlich keine große Partie, aber immerhin auch nicht nackt wie eine Pogge im Schlamm! Und für die Mädchen, die es in Palmar gibt ...«
Der Alte spuckte aus und blickte verächtlich auf die Töchter des Dorfs, unter denen sich zweifellos seine künftige Schwiegertochter befand. Nein, viel Staat war mit diesen Seejungfrauen nicht zu machen! Ihre in dem fauligen Wasser der Kanäle gewaschene Wäsche roch nach Schlamm; dürftiges, von der Sonne gebleichtes Haar beschattete ihre mageren, rotgebrannten Gesichter, und in den Augen blitzte das Fieber, durch den Genuß des Seewassers ständig erneut. Ihr eckiges Profil, ihre gleitende Schlankheit und der Geruch ihrer Wäsche gaben ihnen eine gewisse Ähnlichkeit mit den Aalen, als wären durch die gleichförmige, monotone Ernährung einer ganzen Serie von Generationen in ihnen schließlich die Merkmale dieses Tieres festgelegt, das ihr Hauptnahrungsmittel bildete.
Toni wählte eine von ihnen: irgendeine – diejenige, bei der seine Schüchternheit auf die wenigsten Hindernisse stieß. Und nach der Hochzeit gab es wieder jemanden in der Hütte, mit dem der Alte sprechen oder schelten konnte. Ah, dieses Wohlgefühl für ihn, als seine Worte nicht mehr im Leeren hängenblieben, als die Schwiegertochter sich seinen unwirschen Forderungen widersetzte ...
Leider aber stellte sich mit diesem Behagen gleichzeitig ein Verdruß ein. SeinSohn schien die Traditionen der Familie vergessen zu haben; er mißachtete den See, und im September ließ er bei Beginn der Reisernte das Boot im Stich und wurde Schnitter wie manche andere, denen Palomas tiefste Entrüstung galt.
»Diese Feldarbeit ziemt sich nur für die Fremden«, erklärte er seinem Sohn; »die Kinder des Sees sind frei von solcher Sklaverei, denn nicht umsonst hat der Herr uns neben dieses Wasser gesetzt, das ein Segen Gottes ist. Das Wasser ernährt uns, und es ist eine Schande, bis zum Bauch im Schlamm zu stehen, Blutegel an den Beinen, den Rücken von der Sonne geröstet, um einige Ähren zu ernten, die zu guter Letzt nicht für uns bestimmt sind. Willst du wirklich ›Landmann‹ werden? ...«
Und der Alte legte in diese Frage das ganze Entsetzen, die ganze riesengroße Bestürzung, als hätte man ihm davon gesprochen, daß – etwas genau so Unerhörtes – die Albufera eines Tages trockenliegen könnte.
Zum erstenmal in seinem Leben wagte Toni, sich seinem Vater zu widersetzen:
»Den Rest des Jahres werde ich gern fischen. Aber jetzt, wo infolge meiner Heirat die Ausgaben sich vergrößern, wäre es eine Torheit, den reichlichen Tagelohn zu verschmähen, vor allem, weil man mich wegen meiner starken Arme besonders gut bezahlt. Man muß die Zeiten nehmen, wie sie kommen. Täglich vermehren sich die Reisfelder an den Ufern des Sees; Arme werden reich, und ich bin nicht der Dummkopf, beiseitezustehen.«
Knurrend schickte sich der alte Fischer in diese Umwälzung der Gepflogenheiten des Hauses. Die Verständigkeit und der Ernst seines Sohnes nötigten ihm Respekt ab, doch als er am Kanalufer seine alten Kameraden traf, machte er seinem Unmut Luft.
»Die werden die ganze Albufera so umformen, daß in einigen Jahren sie niemand mehr erkennt! Bei Sueca haben sie jetzt eiserne Apparate in kleinen Häuschen aufgestellt und ... wupp! kommt der Rauch aus dem hohen Schornstein. Die guten alten hölzernen Wasserräder sollen alle durch Höllenmaschinen ersetzt werden, die das Wasser mit einem Lärm von tausend Teufeln fortschleudern. Ein Wunder, wenn nicht die ganzen Fische aus Ärger über diese Neuerungen den Weg zum Meere nehmen! ... Überall will man anpflanzen, überall wirft man Erde und immer mehr Erde
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