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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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im Kamin und holte Tom, der sich neben mich stellte und schließlich den Kopf schüttelte und sagte, er höre nichts.
    Wenn ich abermals horchte, hörte auch ich nur noch den Wind.
    »Von Berlin seid ihr?«, fragten die Nachbarn, auf die Idee gebracht durch das Kennzeichen meines Wagens.
    »Ich war ein paar Jahre dort«, sagte ich ausweichend, »aber aufgewachsen bin ich ganz in der Nähe.«
    »Du sprichst keinen Dialekt«, sagten sie verwundert.
    Ich hätte es ihnen erklären können, aber ich wollte nicht.
    »Wann kommt das Kind?«, fragten sie nach einer längeren Pause und wiesen beiläufig auf meinen Bauch.
    »Im Herbst«, sagte ich knapp.
    »Nicht mal Zentralheizung habt ihr da drin«, sagten sie schließlich mit einem zweifelnden Blick auf unser Haus.
    In Berlin hätte ich Kohleöfen in der Wohnung gehabt, in jedem Zimmer einen, sagte ich, und als ich sah, dass sie das nicht glaubten, fügte ich lachend hinzu, manchmal sei die Toilette dort noch im Treppenhaus, sogar im Westteil der Stadt.
    Die Nachbarn schüttelten den Kopf. Das konnten sie sich nicht vorstellen. Berlin war für sie aus Gold gebaut.
    Dann begannen sie von Neuem: Unser Haus sei einmal fast fortgespült worden, ob wir das wüssten?
    »Schneeschmelze«, sagten sie, »der Boden war noch gefroren, da kam’s geschossen, von da oben.«
    Sie zeigten auf die Felsen und das kleine Wäldchen am Hang über uns und freuten sich über mein ungläubiges Gesicht.
    »So was erlebt man in Berlin nicht«, sagten sie zufrieden.
    Ich aber liebte das Haus vom ersten Augenblick an, besonders wegen seiner knarzenden Treppenstufen, den beiden Kaminöfen, wegen seiner undichten Fenster und seiner niedrigen Decken, an denen Tom sich den Kopf stieß, wenn er aufrecht stand. Ich liebte es, obwohl jeder, der uns besuchte, etwas daran auszusetzen hatte.
    »Wir brauchen nicht mehr«, sagte ich.
    Ich liebte es auch dann noch, als in einem der Zimmer der Boden herausgerissen werden musste, weil dort vor Jahren schon ein Abflussrohr geborsten war und uralte Dielen stinkend unter dem Teppichboden verfaulten. Wir schaufelten den Schlamm hinaus und füllten die Grube mit Beton.
    »Flickwerk«, sagten die Gäste.
    »Mein Haus«, sagte ich dann.
    Am Tag deiner Geburt, kızım , bin ich gegen fünf Uhr mit Wehen im Hof umhergegangen, die Sonne hatte sich noch nicht über die Dächer des Dorfes erhoben, nirgendwo waren Menschengeräusche zu hören. Es war, wie ich mir schon in so mancher Nacht in Berlin erträumt hatte. Leise und überschaubar und voller Ruhe für das, was mich erwartete.
    Mein Blick fiel auf meinen Gemüsegarten. Meine tägliche Arbeit zahlte sich aus. Wir hatten so früh im Jahr bereits die ersten Tomaten geerntet, und wenn der Sommer so heiß bliebe, kämen alsbald schon zum zweiten Mal Erdbeeren.
    Ich ging hinüber zu meinen Pflanzen, meinen Blumen, meinen Sträuchern und Obstbäumen. Sie wuchsen und gediehen, so wie du in meinem Bauch gewachsen bist, den vergangenen Herbst über begleitet von Übelkeit, gelindert nur durch Zitrusfrüchte, die ich eigentlich verabscheue.
    »Iss Orangen, Kind«, hat deine Großmutter Julka zu mir gesagt, »wie ich mit dir schwanger war, hab ich nix andres wie Orangen gegessen«, und ich habe gelacht und gesagt, kein Wunder, würde ich das Zeug nicht mögen, denn was draus geworden war, aus dem Kinderkriegen damals, das wüssten wir ja nun beide. »Eine fünfmarkstückgroße orangene Stelle haschd auf der Stirn g’habt bei deiner Geburt«, sagte sie außerdem, und ich sagte unwirsch, die D-Mark gäbe es ja doch eine ganze Weile nicht mehr. Um davon abzulenken, dass Sätze über die Umstände meiner Geburt unweigerlich verbunden waren mit der unausgesprochenen Frage nach den Umständen meiner Zeugung – und nach meinem Vater.
    Die Wehen wurden stärker.
    Dein Bruder und Tom schliefen noch, als ich in unserem Küchenofen das Feuer entfachte und einen Wasserkessel aufsetzte, um Tee zu kochen. Ich befühlte noch einmal die weichen Tücher, die wir später im Backofen wärmen würden für dich, und sah im Geburtskorb nach den notwendigen Kleinigkeiten, die wir nach den Vorschriften der Hebamme zusammengetragen hatten.
    Du bist fast auf die Minute genau am errechneten Geburtstermin zur Welt gekommen, in nur wenigen konzentrierten Stunden. Und bei Vollmond.
    »Magisch«, sagte der Hofer, als er die Daten in sein Untersuchungsheft schrieb.
    Schon zur Geburt unseres ersten Kindes ist der Dorfarzt Hofer zu uns gekommen. Nicht wenig

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