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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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oder zum Feueranzünden verwendet hatte. «Ihr seid mein Heiligtum», sagte ich zu den Büchern. «Außer mir schert sich niemand mehr um euch. Aber ich werde euch für immer bei mir behalten. Undeines Tages werde ich dafür sorgen, dass ihr wieder wichtig werdet.» Die furchtbare Verleumdung der jungen Generation kam mir in den Sinn: dass Bücher
stinken
. Und doch beschloss ich, im Vorgriff auf die mögliche Ankunft Eunice Parks auf Nummer sicher zu gehen, und sprühte ein wenig Wildblumen-Raumspray in die Nähe der Bücher, wedelte die zerstäubte Flüssigkeit zu ihnen hin. Dann feierte ich meine übrigen Besitztümer, die modularen Designermöbel, die elegante Unterhaltungselektronik, die Kommode aus den 1950ern im Stil Le Corbusiers, die mit Andenken an frühere Beziehungen vollgestopft war, darunter einige ziemlich gewagte, die nach unteren Körperregionen dufteten, und andere, die von jener Melancholie, die ich tatsächlich langsam abstreifen musste, nur so trieften. Ich feierte den schwierig aufzubauenden Balkontisch (ein Bein war immer noch zu kurz) und trank im Freien einen ziemlich schlechten nicht römischen Kaffee, während ich auf die geschäftige Skyline von Downtown ungefähr zwanzig Straßen weiter blickte, wo Militär- und Zivilhubschrauber um die überkandidelte Spitze des «Freedom Tower» und das ganze andere glitzernde Gedöns herumkurvten. Ich feierte die flachen Sozialwohnungsbauten in meiner unmittelbaren Nachbarschaft, die sogenannten Vladeck Houses, die in solidarischer Backsteinverkleidung neben meiner Eigentümergemeinschaft stehen, nicht direkt stolz auf sich, eher resigniert und von ihrer Notwendigkeit überzeugt, und deren Tausende von Bewohnern für die Wärme und, wenn ich spekulieren darf, für die Liebe des Sommers gerüstet sind. Selbst aus dreißig Metern Entfernung kann ich hinter den zerfledderten puertoricanischen Flaggen gelegentlich ihre schmerzlichen Liebesschreie hören und manchmal auch ihr wütendes Gebrüll.
    Mit Liebe im Herzen beschloss ich, die Jahreszeit zufeiern. Für mich manifestiert sich der Übergang von Mai zu Juni im radikalen Wechsel von Kniestrümpfen zu Socken. Ich zog eine weiße Leinenhose und ein gepunktetes Hemd von Penguin zu bequemen malaysischen Mokassins an, sodass ich den vielen Neunzigjährigen in meinem Wohnhaus mühelos glich. Es ist Teil einer NGRG – einer «Natürlich gewachsenen Ruhestands-Gemeinschaft»   –, einer Art Klein Florida für Menschen, die zu gebrechlich oder zu arm sind, um rechtzeitig vor dem Ableben nach Boca Raton überzusiedeln. Unten vorm Fahrstuhl, umgeben von verdorrten älteren Mitbürgern in motorisierten Rollstühlen und deren jamaikanischen Pflegekräften, studierte ich die tägliche Opferliste. Allein in den letzten beiden Tagen hatte es fünf Einwohner der NGRG dahingerafft. Die Frau, die über mir gewohnt hatte, die über achtzigjährige Naomi Margolis in Wohnung E-709, war nun tot, und ihr Sohn David Margolis lud die gemischte Nachbarschaft ein – junge Medien- und Kreditkarrieristen, alternde, verwitwete sozialistische Näherinnen sowie die ständig wachsende Gemeinde orthodoxer Juden   –, in seinem Haus in Teaneck, New Jersey, «ihrer zu gedenken». Ich bewunderte Mrs.   Margolis, weil sie so lange gelebt hatte, doch wenn man erst mal den Gedanken akzeptiert, dass eine Erinnerung einen Menschen gewissermaßen ersetzen kann, kann man die Unbeschränkte Lebensverlängerung gleich mit vergessen. Man kann wohl sagen, dass ich Mrs.   Margolis gleichzeitig bewunderte und
hasste
. Weil sie das Leben aufgegeben hatte, weil sie bereit gewesen war, ihren verdorrten Körper von brandenden Wellen hinwegspülen zu lassen. Vielleicht hasste ich die Alten in meinem Haus auch allesamt und wünschte, sie würden endlich verschwinden, damit ich mich auf meinen eigenen Kampf gegen die Sterblichkeit konzentrieren konnte.
    In meinem trendigen Altmänneraufzug schlenderteich mit leichtfüßiger Eleganz die Grand Street entlang in Richtung East River Park und trat mit tiefsinnigem «Oj» auf jede Bordsteinkante, dem in meiner Nachbarschaft allgegenwärtigen Gruß. Ich setzte mich auf meine Lieblingsbank gleich neben einem der untersetzten, spreizfüßigen Sockel der Williamsburg Bridge und bemerkte, dass ein Teil dieses Bauwerks aufgestapelten Milchflaschenkisten ähnlich sieht. Ich feierte die minderjährigen Mütter aus den Vladeck Houses, die sich um die Wehwehchen ihrer Kinder kümmerten («Mommy, eine Biene hat mich

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