Sweet about me
ich«, sagte Tom, » und für dreizehn Euro die Stunde leg ich euch auch was hübsches Neues rein. Immer volle Pulle, Zigarettenpause gibt’s bei mir nicht.« Und ob die Wände so bleiben sollten? Anstreichen könne er nämlich auch.
» Und wie!«, sagte Heike und goss Kaffee in die Tassen. » Tom kann alles.«
» Alles bis auf Fuß- und Altenpfleger«, sagte Tom. » Das sind Berufe, die find ich von vorne bis hinten ekelhaft. Aber sonst: Geht nicht, gibt’s nicht.«
Betty strahlte und sprach von einem Glücksfall. Auch ich taute auf. Das Schokoladenplätzchen, das Heike mir anbot, war mit sehr süßer Marmelade gefüllt.
» Hm«, sagte ich. » Lecker.«
» Und wenn ihr eine Putze braucht«, sagte Heike, » hallo, hier bin ich! Hab schon vier Stellen, da könnt ihr nachfragen, wie sauber ich arbeite.«
» Wirklich sehr nett«, antwortete Betty. » Aber wenn wir die Wohnung hier kaufen, können wir uns keine Putzfrau mehr leisten.«
Die Musikbox spielte jetzt Surrender.
» Elvis Presley«, sagte Tom und verdrehte die Augen. » Der King. Von dem hab ich als Kind ’ne Überdosis abgekriegt. Mein Vater hatte hundert Elvis-Platten. Mindestens. 1958, mit vierzehn, ist er mit zwei Freunden nach Bremerhaven gefahren, um Elvis zu sehn. Der kam da mit dem Schiff an. Der King war zur amerikanischen Armee in Deutschland eingezogen worden. Aber mein Vater hat Elvis gar nicht gesehn. Der Ami war morgens um neun schon von Bord gegangen. Der Zug, in dem mein Vater und seine Freunde saßen, kam erst um zwölf an. Da war Elvis längst weg. Tausendmal hat mein Vater mir das erzählt, oft mit Tränen in den Augen.«
Tom lachte schadenfroh.
» Na ja, aus Frust haben die drei das Geld für die Rückfahrt versoffen und sind dann schwarzgefahren. Wurden natürlich erwischt. Die Schulschwänzerei flog auch auf. Da sind sie in eine Besserungsanstalt gekommen, da gab’s zum Frühstück Prügel und zum Abendessen auch. Und das alles wegen so ’ner blöden amerikanischen Schwuchtel!«
Sein letzter Satz gefiel mir überhaupt nicht, aber ich kam nicht dazu, Tom zu widersprechen, denn während er redete, hatte er sich gleichzeitig die Wohnzimmertür vorgenommen. Die schrammte leicht über den Boden.
» Moment«, sagte er, » bin gleich zurück.«
In der Wohnung über uns bellten Hunde.
» Seid ihr wohl ruhig!«, rief Heike zur Zimmerdecke hoch. » Seid ihr wohl ruhig! Lümmel!« Und dann fragte sie: » Habt ihr auch Kinder?«
Betty und ich sahen uns kurz an.
» Eine Tochter«, sagte ich. » Michelle. Fünfzehn.«
» Schwieriges Alter«, sagte Heike. » Oder?«
Tom war wieder da. Mit einem einzigen professionellen Griff hängte er die Tür aus, nahm dann einen Hobel aus seinem großen Werkzeugkoffer. Zwei Minuten später schrammte die Tür nicht mehr. Tom war mein Mann.
» Entschuldigt bitte, wir müssen jetzt leider schnellstens los«, sagte Betty. » Wegen der Finanzierung der Wohnung. Vielen Dank für die tolle Begrüßung!«
» Wäre schön, wenn ihr hier einziehen würdet«, sagte Heike. » Ich glaub, wir sind irgendwie auf einer Wellenlänge.«
Auf der ersten Etage bellten die Hunde, als sähen sie das genauso.
Dass Betty für sechzehn Uhr einen Termin mit der Sparkasse vereinbart hatte, passte mir überhaupt nicht. Ich musste um acht in Bochum sein, da begann das Konzert von Franz Ferdinand. Die Band war dafür bekannt, pünktlich anzufangen.
Die Frau vom Infostand der Sparkasse beauftragte eine Auszubildende namens Doro, uns ins Büro des Geschäftsstellenleiters zu lotsen. Doros Bluse hatte einen tiefen Ausschnitt. Die Bankangestellten Mary McBoobs und Gary Oversize fielen mir ein. Wir gingen vorbei an moderner Malerei, auf die ein schwarz gekleideter Muskelberg aufpasste, und einem Swimmingpool für große Zierfische.
Die Stühle in der Kreditabteilung waren unbequem. Auf dem skandinavischen Tisch standen ein Laptop und ein Foto im Goldrahmen. Eine Tochter, die im Reiterdress einen Siegerpokal entgegennahm. Doro reichte Kaffee. Auf dem Wandkalender war es immer noch September. Nicht gerade eine Empfehlung für ein schnelles Geldinstitut. Und komisch, obwohl alles, vom Regalschrank mit den vielen Aktenordnern bis zum Teppichboden, wie frisch geliefert und eben erst verlegt wirkte, roch es in dem Raum wie in alten Kinos.
» Toll, dass wir jetzt einen Handwerker im Haus haben, oder?«, sagte Betty.
» Klar. Aber dass er unbedingt wie ein Skinhead aussehen muss –«
» Arbeiter sehen halt so aus heutzutage.
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