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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Sous
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Tom und Heike, Sammy und Mars. Die Pistole würde ich, wenn nichts mehr dazwischenkam, in Venedig ins Meer werfen. Da konnten sie lange suchen. Übergeschnapptes Hupen riss mich aus meinen Gedanken. Ohne auf den Verkehr hinter mir zu achten, war ich auf die Überholspur geraten.
    » Wenn du gestattest«, sagte die Alte, » würde ich schon noch gern die eine oder andere Gondel sehen.«
    » Übrigens«, fragte ich, um das Thema zu wechseln, » wie hat Ihre Tochter es geschafft, Sie in dieses Heim abzuschleppen?«
    » Geht dich nichts an«, antwortete Frau Hauenstein und nahm sich eine neue Zigarette. Eine Minute später sagte sie: » Die Ziege hat mich reingelegt. Hat was von einer Weihnachtsfeier in einem schicken Restaurant gefaselt. Und dann ist sie mit hundert Sachen zu diesem Krematorium gerast. Da warteten schon zwei Riesenkerle in weißem Kittel auf mich, die haben mich gepackt.«
    Fünf Autobahnkilometer später musste die Alte aufs Klo. Die nächste Raststätte war eine Viertelstunde entfernt, sagte das Navi. Noch 1132 Kilometer bis Venedig.
    Frau Hauenstein zappelte, keuchte, verfluchte ihre schwache Blase und meine langsame Fahrweise. Ich schaffte es in zwölf Minuten. Dafür, dass ihre Beine nie wollten, legte sie zunächst ein erstaunliches Tempo vor. Dann blieb sie mitten auf dem Zebrastreifen vor der Raststätte stehen und blockierte einen abfahrbereiten Gefahrguttransporter aus Bulgarien. Der Fahrer setzte Sirenen, Lichthupe und seine Stimme ein. Alles, was er damit erreichte, war höchstens ein Kurzschluss. Die bunten Lämpchen am großen Weihnachtsbaum vor dem Eingang zur Raststätte erloschen.
    » Alles nass! Ich will nicht mehr«, sagte Frau Hauenstein. » Fahr mich zurück in dieses Heim! Fahr mich zur Einäscherung!«
    Nachdem ich ihren Koffer aus dem Wagen geholt hatte, begleitete ich sie zum Waschraum. Die Aufsicht dort, eine korpulente Afrikanerin, sah sofort, was los war. » Ich helfe«, sagte sie. Als Erstes reichte sie der Alten ein Taschentuch für die Tränen, dann verscheuchte sie zwei Wimpern tuschende Fünfzehnjährige und mich aus dem blassgelb gekachelten Raum und sperrte die Tür zu.
    Ich ging zurück zum matt erleuchteten Parkplatz. Es war 19 Uhr 10, Außentemperatur: ein Grad minus. Mit schlechtem Gewissen wegen der tauenden Antarktis ließ ich den Motor laufen, damit die Heizung auf Touren blieb und Frau Hauenstein sich nicht erkältete.
    » Hab der Negerin zweihundert Euro gegeben«, sagte sie zwanzig Minuten später. » Ist schließlich fast Weihnachten.« Sie schnüffelte, verzog das Gesicht. » Sag mal, wonach riecht das hier? Fisch?«
    » Hatte Hunger«, antwortete ich. » Da hab ich mir zwei Scheiben von Ihrem Weißbrot und ein kleines Stück von der geräucherten Makrele genommen.«
    » Hättest doch in der Raststätte was essen können. Dieser Gestank jetzt hier!«
    » Und Ihre blöden Zigaretten? Stinken viel mehr, und ich krieg auch noch Passivraucherkrebs davon!«
    » Und warum läufst du immer noch mit Charles’ schwarzer Krawatte durch die Gegend?«, fragte die Alte zwischen Langerwehe und Düren.
    » Charles’ Krawatte? Quatsch, die ist doch von Chet!«
    » Chet! Chet! Immer nur Chet!«, schrie Frau Hauenstein. » Ich will nicht, dass du mich immer mit diesem Ding an meine letzte Ruhe erinnerst!«
    Ich richtete mich kerzengerade auf und blickte stur nach vorne. Ich zerrte mir die Krawatte vom Hals, wollte sie aus dem Fenster schmeißen. Das kam mir dann doch zu theatralisch vor. Ich stopfte das Stück Stoff umständlich in meine rechte Hosentasche. Und dann war Schweigen bis weit hinter Köln.
    Da sagte Frau Hauenstein auf einmal: » Warum bist du nicht bei deiner Frau und deiner Tochter, einen Tag vor Heiligabend?«
    Wir schwiegen wieder eine Weile. Dann sagte die Alte: » Ich wollte übrigens nie Ilse heißen, sondern Aida. Wie die Oper. Und jetzt bist du dran. Komm, Junge, erzähl mir deine Geschichte.«
    Noch 1057 Kilometer bis Venedig.

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Großen Dank an WF

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