Tacheles
Der Mann führte sie in sein Wohnzimmer, das er wie einen Salon ausgestaltet hatte. An der Tür prallten die beiden Beamten richtiggehend zurück. Auf einem großen Doppelbett lag, vollkommen nackt, eine Frau von leidlich dreißig Jahren, die, wie Bronstein sofort konstatierte, wohl ein klein wenig Übergewicht hatte. Denn obwohl sie auf dem Rücken lag, zeichnete sich deutlich ein nennenswerter Bauch oberhalb des üppigen Schamhaars ab, während die großen und schweren Brüste schlaff links und rechts vom Oberkörper nach unten hingen. Doch Bronstein hatte wenig Zeit, diese Details zu registrieren, denn er war völlig gefangen von der Körpermitte dieser Frau. Am liebsten hätte er sich die Augen gerieben. Doch das wäre zu auffällig gewesen, und so beschränkte er sich darauf, sie einen Moment lang zu schließen, um dann noch einmal auf den Schambereich der Frau zu starren. Ein Zweifel war nicht mehr möglich: Aus dem Spalt der Frau ragte eine Gurke. Die Frau selbst schien tief und fest zu schlafen, ohne dass sie das in ihrem Körper steckende Gemüse im Geringsten störte.
„Jessas!“, hörte Bronstein nun den Künstler, der sich an die Stirn gegriffen hatte, „Die hob i jo ganz vergessen!“
Er ließ die beiden Beamten einfach stehen und eilte zum Bett, wo er die Frau wachzurütteln versuchte. „Lintscherl, heast Lintscherl, woch auf.“
Die so Angesprochene kam langsam zu sich. Sie griff, noch immer halb im Schlaf, nach der Gurke, um sich diese rhythmisch in die Scheide zu stoßen. „I moch eh weida“, murmelte sie,während ihre Hand augenblicklich wieder erschlaffte, um wenig später zum Stillstand zu kommen. Dem Künstler war die ganze Szene höchst peinlich, und er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. „Wir warten im Vorzimmer“, hörte Bronstein Cerny sagen, ehe er von diesem sanft nach draußen gedrängt wurde. Noch im Gehen warf Bronstein erneut einen Blick auf die Frau und spürte, wie sehr ihn diese Szene erregte. Und wieder ärgerte er sich über Cernys Taktgefühl. Dieser schloss leise die Tür und besah sich sodann die im Vorzimmer aufgehängten Bilder.
Durch die Tür drangen spitze Schreie. „Bist deppert?“, hörte Bronstein, und „Wos? Mit dreiß’g Schlei wüst mi abspeisn. Di haben s’ woi ois Kind z’haaß bod’t? Schleich di, du Krippelg’spü. I hoi de Heh, heast.“
Bronstein folgte einer spontanen Eingebung, und noch ehe Cerny einschreiten konnte, riss er die Tür auf: „Die Heh is scho do“, sagte er und grinste breit.
Die Frau schnappte eilends das Leintuch und bedeckte ihre Blöße damit. „Wos soi nocha des? Jo wo samma denn? Sapperlot no amoi!“
Nun war auch Cerny wieder ins Zimmer getreten. „Meine Verehrteste, es wäre besser, wenn Sie sich zurückzögen. Wir haben dem Herrn hier routinemäßig einige Fragen zu stellen, wofür Ihre Gegenwart nicht erforderlich ist. Wir würden es lediglich begrüßen, wenn Sie uns für alle Fälle Ihre Personalien geben und uns sagen könnten, seit wann Sie sich hier in der Wohnung befinden.“
„Die ganze Nocht scho, und der Pülcha wü ma nua dreiß’g Schülling geb’n“, entfuhr es der Dame der Nacht voller Empörung.
„Nun, Ihre Geschäfte fallen nicht in unser Ressort, vielleicht regeln Sie diese Frage später.“
Es war offenkundig, dass es die Frau nicht darauf anlegte, sich mit einem Polizisten zu streiten, und so zog sie sich eilendsan und dann zurück, nachdem sie zuvor noch Cerny ihren Namen und ihre Adresse bekanntgegeben hatte. Der Künstler blickte ihr wehmütig nach und dann voller Unbehagen auf die beiden Beamten.
„Und nun zu uns“, richtete Cerny das Wort an ihn, „Sie heißen?“
„Karl Krämer.“
„Und wurden wann geboren?“
„17. August 1892 in Linz.“
„Seit wann sind Sie hier wohnhaft?“
„Seit … ich weiß gar nicht … seit fünfzehn Jahren oder so … Hören Sie, um was geht es eigentlich?“
„Der Hausherr wurde heute ermordet. Und wir haben gehört, dass Sie sich mit Herrn Demand hinsichtlich der Miete in einem Konflikt befanden?“
„Ja schon, aber ich hoffe doch sehr, dass Sie nicht glauben, deswegen hätte ich zur Gewalt gegriffen. Der Herr Demand war kein Freund der Kunst und stand meinen diesbezüglichen Bemühungen verständnislos gegenüber. Es war ihm nicht begreiflich zu machen, dass ein echter Künstler sich nicht um banale Geldsorgen kümmern kann, sondern dass er vielmehr für die Kunst leben muss. Wenn es nach ihm gegangen wäre, müsste ich
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