Tag des Opritschniks, Der
Hände gehen, dann bringen sie ihn. Wir greifen unserem Alten unter die Arme.
»Wünsche wohl geschwitzt zu haben, Ältester!«
»Bis ins Mark!«
»Besser wär’s bis in die Marquise!«
»Wohl bekomm’s!«
»Der Kreislauf freut sich!«
Der Körper des Alten glüht vor Hitze.
»Och, Heilige Muttergottes!«, stöhnt er. »Her mit dem Kwass!«
Von allen Seiten recken sich dem geliebten Anführer die silbernen Becher entgegen.
»Trink, Vater!«
Der verhangene Blick des Alten wandert von einem zum anderen. Er trifft die Wahl.
»Wosk!«
Wosk reicht dem Alten seinen Becher. Klar, heute sind die Linken in der Vorhand. Verdientermaßen. Sie haben Kasse gemacht.
Der Alte leert den Becher Honigkwass, japst nach Luft, rülpst. Wieder macht sein Blick die Runde. Wir stehen still. Der Alte wartet noch einen Moment, kneift ein Auge zu. Und spricht es aus, das lang Ersehnte:
»Piep, piep, piep!«
Das Licht geht aus. Im nächsten Moment schiebt sich aus der Marmorwand eine leuchtende Hand voller Pillen. Und wie zum Heiligen Abendmahl nach vollzogener Beichte stehen wir demütig vor der lichten Hand Schlange. Einer nach dem anderen tritt vor sie hin, empfängt seine Pille, legt sie sich unter die Zunge, tritt zurück. Jetzt bin ich an der Reihe. Nehme die Pille entgegen, die äußerlich ganz unscheinbar ist. Stecke sie in den Mund – und schon beginnen die Finger zu zittern, schon werden die Knie weich, das Herz, es schlägt wie ein fleißiger Hammer, und das Blut klopft in den Schläfen wie die Opritschniki gegen das Tor des Bojaren.
Meine Zunge umschließt die bebende Pille, wie eine Wolke den Tempel auf des Hügels Mitte umhüllt. Die Pille zergeht, schmilzt süß an der Zungenwurzel, im Speichelfluss, der sie so mächtig umspült wie der Jordanstrom zur Frühlingsschmelze. Das Herz, es pocht, der Atem überschlägt sich, die Fingerspitzen werden kalt, die Augen sehen schärfer im Dämmerlicht. Und endlich geschieht es: Das Blut stößt ins Gemächt. Ich senke den Blick. Gewahre die Schwellung. Da steht es auf, mein Gerät, das jüngst sanierte: zwei Knorpelimplantate, Hyperglasfiberspitze, Reliefüberzug, Fleischmuskulatur mit beweglicher Tätowierung. Hebt sich gleichwie der Rüssel eines sibirischen Mammuts. Und unter dem gewaltig erstehenden Gemächt beginnendie massigen Klöten in purpurnem Licht zu erglühen. Nicht nur bei mir. Das Leuchten stellt sich ein bei allen, die der Gabe der Strahlehand teilhaftig geworden, sie leuchten wie die Glühwürmchen in den Stubben zur Sommersonnenwende. Die Klöten der Opritschniki geben Licht! Bei jedem leuchten sie anders, auf eigene Art: beim rechten Flügel zwischen scharlach- und purpurrot, beim linken zwischen hellblau und violett, bei den Jungen in allen möglichen Grüntönen. Die Klöten unseres Alten wiederum erstrahlen in einem ganz besonderen, einzigartigen Licht: Goldgelb sind die seinen! In alledem liegt die gewaltige Kraft der Bruderschaft, die den Namen Opritschnina trägt, verborgen. Chinesische Ärzte, kunstfertige Meister ihres Fachs, haben uns neue Testikel eingesetzt. Auf dass von ihnen, den Mannesliebe Begehrenden, ein Licht ausgehe. Die Kraft hierzu erwächst ihnen aus dem aufstrebenden Gemächt. Und solange dieses Licht am Leuchten ist, sind wir, die Opritschniki, am Leben.
Wir sinken in brüderliche Umarmung. Kräftige Arme umschlingen kräftige Leiber. Wir küssen einander auf den Mund. Küssen uns schweigend, männlich, ohne weibische Zärtlichkeit. Das Küssen entfacht in uns die Leidenschaft, küssend heißen wir einander willkommen. Geschäftig eilen die Bademeister mit Tonkrügen voll Chinabalsam zwischen uns einher – stumm, schattengleich, bei ihnen leuchtet ja nichts. Wir greifen den zähen, würzigen Schmant mit der hohlen Hand, schmieren ihn uns auf das Gemächt.
»Dran und drauf!«, brüllt der Alte.
»Dran und drauf! Dran und drauf!«, schmettern wir zurück.
Der Alte macht den Anfang. Steht auf, zieht Wosk zu sich heran. Dieser setzt sein Gemächt an des AltenSpundloch, schiebt es hinein. Der Alte ächzt vor Vergnügen, fletscht in der Dunkelheit das weiße Gebiss. Wosk wird von Schelet umarmt und bekommt sein gesalbtes Horn eingepflanzt. Ein Grunzen aus Wosks tiefstem Innern ist die Antwort. Schelet wird von Sery bedient, Sery von Samosja, Samosja von Baldochai, Baldochai von Mokry, Mokry von Netschai, und nun ist es an mir, meinen klebrigen Pfahl in Netschai einzurammen. Meine linke Hand umfasst den linksflügligen Bruder,
Weitere Kostenlose Bücher