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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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einfach habt? Nicht nach der Lüge leben müsst, wie es mal geheißen hat? Euch im Rudel bewegt, schön zügig, schön Kopf an Kopf, heilige Mutter, immer der Nase nach, den Leitwölfen gehorchend, das Korn einbringend zur rechten Zeit, den Bruder durchfütternd, Frau und Kinder liebend, nicht wahr, nicht wahr?«
    Der Alte hält inne, zieht sich eine gute Prise vom weißen Koks ins Nasenloch, kippt einen Wodka hinterher. Wir tun es ihm nach.
    »Ja nun, meine lieben Töffel, damit ihr’s wisst: Nicht dafür haben wir das alles gemacht, nicht dafür. Sondern um den Glauben Christi hochheilig und unbefleckt zu halten, nicht wahr. Denn einzig wir, die Rechtgläubigen, haben die Kirche als den Leib Christi auf Erden reingehalten, die alleinige, all-einige, heilige, apostolische, unfehlbare Kirche, nicht wahr. Denn nach dem Zweiten Konzil von Nizäa preisen einzig wir noch den Herrn auf die rechte Art, die rechtgläubige, und das Recht, den Herrn auf rechte Art zu preisen, kann uns keiner nehmen, nicht wahr. Denn wir sind nicht abgerückt von der All-Einheit, von den heiligen Ikonen, von der Gottesgebärerin, vom Glauben der Väter, von der Ursprünglichen Dreifaltigkeit, dem Heilig Geist, dem Herrn, dem Lebendigmacher, der ausgeht vom Vater, der angebetet und verherrlicht wird mit dem Vater und dem Sohn, dergesprochen hat durch die Propheten, nicht wahr. Denn wir haben alles Gottlose von uns gewiesen, Manichäismus und Monotheletismus und Monophysitismus, nicht wahr. Denn wem die Kirche nicht Mutter ist, dem kann der liebe Gott auch nicht Vater sein, nicht wahr. Denn Gott geht seiner Natur nach über jeglichen Verstand, nicht wahr. Denn alle frommen, rechtgläubigen Männer sind Nachkommen von Peter dem Großen, nicht wahr. Denn Fegefeuer ist nicht, nur Himmel und Hölle, nicht wahr. Denn der Mensch ist zum Sterben geboren, und also sündigt er, nicht wahr. Denn Gott ist das Licht, nicht wahr. Denn der Erlöser kam herab als Mensch, damit wir Wolfsschniefnasen miteinander zu Göttern werden, nicht wahr. Und ebendarum hat unser Gossudar die Große Mauer gebaut, um uns zu scheiden von Unflat und Unglauben, von den elenden Cyberpunks, den Sodomiten und Katholiken und Melancholiken und Buddhisten und Sadisten und Satanisten und Marxisten und Megaonanisten und Faschisten und Pluralisten und Atheisten, denen allen! Denn der Glaube, ihr Wolfsschniefnasen, ist kein Portemonnaie! Kein Plüschkaftan! Kein Eichenholzknüttel! Was ist der Glaube also dann? Der Glaube, meine Töffelöffel, ist ein Brunnen, ein Quell reinen Wassers, so klar und rein und still und unscheinbar und kräftig und reichlich wie sonst gar nix! Habt ihr verstanden? Oder muss ich das Ganze nochmal sagen?«
    »Wir haben verstanden, Ältester«, antworten wir, so wie üblich.
    »Na, wenn ihr’s verstanden habt, dann ist es ja gut.«
    Der Alte bekreuzigt sich. Wir bekreuzigen uns. Koksen, trinken, aufatmen.
    Auf einmal aber lässt Jerocha ein beleidigtes Schnauben hören.
    »Was hast du?«, spricht der Alte ihn an.
    »Nimm’s mir nicht krumm, Ältester, wenn ich dir ein Widerwort gebe.«
    »Nur zu.«
    »Ich finde es schnöde.«
    »Was findest du schnöde, Bruder Jerocha?«
    »Dass du dir den Schmarotzerring so einfach an den Finger gesteckt hast.«
    Jerocha spricht unverblümt. Der Alte guckt ihn scharf an. Dann ruft er laut: »Trofim!«
    Der Diener des Alten erscheint.
    »Was wünschen der Herr?«
    »Die Axt!«
    »Zu Befehl.«
    Wir sitzen da und gucken uns an. Der Alte guckt auch und gibt sich Mühe, nicht zu grienen. Trofim kommt mit der Axt. Der Alte nimmt den Igelring vom kleinen Finger und legt ihn auf die granitene Tischplatte.
    »Mach!«
    Das knappe Wort reicht, dass der getreue Trofim kapiert: Er holt aus und haut die Axt mit der stumpfen Seite auf den Ring. Die Diamantensplitter fliegen nach allen Seiten.
    »Hoho, so ist es gut!«, lacht der Alte.
    Wir lachen mit. Das sieht unserem Alten ähnlich! Dafür lieben und behüten wir ihn, dafür halten wir ihm die Treue.
    Er pustet den Diamantenstaub vom Tisch.
    »Was sperrt ihr das Maul auf? Linien ziehen!«
    Potyka übernimmt es, den Koks zu portionieren. Mir liegt die Frage auf der Zunge, wieso es die Jungen waren, die sich den Grafen vorgenommen haben, und wir, die alte Garde, wussten von nichts. Haben wir nicht mehr das volle Vertrauen? Sind wir abgemeldet? Aberich halte mich zurück: Die Sache ist noch zu frisch, um daran zu rühren. Irgendwann hinterher werd’ ich beim Alten einmal vorstellig werden

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