Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
neuer Name, mein Pseudonym, das auch auf dem Cover dieses Buches stehen wird, ist Dan Alighieri.
Es ist Zeit, die Schwarze Kathedrale auf die Reise zu schicken. Diese zusammengeklebten Seiten an Lyre zu übergeben. Chara wird mich begleiten, wenn ich gehe, um mich von ihm zu verabschieden. Vielleicht werde ich es sogar wagen, meinen Arm um ihre Taille zu legen, auch vor den anderen Dämonen. Daran werden sie sich eben gewöhnen müssen. Die Dinge ändern sich, wie einer der Dämonen sagte … sofern das möglich ist. Und es scheint tatsächlich möglich zu sein.
Morgen werden die Dämonin, die Lyre Chara getauft hat, und ich uns zu jenem Ort aufmachen, den Lyre durch Pluto ersetzen wird. Ich hoffe, diese letzten winzigen Enthüllungen über gewisse Tricks und erfundene kleine Details in meiner Geschichte lassen Sie nicht an deren Wahrheitsgehalt zweifeln. Die Wahrheit übertrifft die Fakten. Namen, Personen, Orte und Geschehnisse sind Produkte der Fantasie des Autors und rein fiktiv. Mein Leiden aber war real. Und die kleinen Fetzen des Glücks, die ich von seinen Knochen nagen konnte, sind ebenfalls real. Die Hintergründe und Ereignisse sind in ihrem Kern wahr, und das ist alles, was zählt.
Was diese Memoiren angeht, bin ich der Schöpfer. Wie Goethe schon in Faust formulierte: »Dies geisterhafte Schauspiel hast du selbst gemacht!«
Ich bin aus Oblivion entkommen. Ich habe mich in den Feind verliebt – vielleicht könnte man das ja das Helsinki-Syndrom nennen. Und der Feind liebt auch mich. Ich habe gelernt, dass Gott in den schlimmsten Zeiten der Teufel ist, und in den besten selbst nur eine traurige, verlorene Seele. Ich bin zuversichtlich, dass ich letzten Endes, posthum, doch noch veröffentlicht werde, und es gibt noch so viele Welten, die ich mit meinen Worten erschaffen möchte. Tot zu sein, hat mich wieder zum Leben erweckt.
Hier steht nun Lyre. Lächelnd, mit ausgestreckter Hand, wartend. Er wird noch einen Moment länger warten müssen. Ich möchte, dass Chara auch diese letzten Seiten noch liest.
»Und sonst darf ich nichts weiter tun oder sagen?«, grummelte sie.
»Das hast du doch gerade«, erwiderte ich.
So. Sie ist fertig.
Und für den Moment bin ich das auch.
Jeffrey Thomas
Jeffrey Thomas, geboren am 3. Oktober 1957, lebt mit seiner Familie in Massachusetts, USA.
Er ist einer der kreativsten Autoren der Gegenwart, ein Hieronymus Bosch der Literatur. Seine Welten sind sehr dunkel, sehr grotesk, doch immer voller unheimlicher Spannung. Fantastische Literatur at his best.
www.jeffreyethomas.com
Impressum
Die amerikanische Originalausgabe
Letters from Hades
erschien 2003 im Verlag Bedlam Press.
Copyright © 2003 by Jeffrey Thomas
Copyright © dieser Ausgabe 2012 by Festa Verlag, Leipzig
Titelbild: Tomasz Alen Kopera, www.myspace.com/artalen
Alle Rechte vorbehalten
eISBN 978-3-86552-177-4
www.Festa-Verlag.de
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