Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
Aber Elena hatte sie trotzdem gehört.
„Dorthin, wo er kein Unheil mehr anrichten kann“, sagte sie, und der Ausdruck auf ihrem Gesicht hielt Bonnie davon ab, weitere Fragen zu stellen. Ein heftiges Schnauben und Brüllen war von der anderen Seite der Lichtung her zu hören. Bonnie wandte sich um und sah Tyler, in seiner schrecklichen halb Tier-, halb Menschengestalt. Er hatte sich aufgerichtet. Doch Carolines Knüppel war unnötig. Er starrte Elena und die paar verbliebenen Geisterfiguren an und zitterte. „Laß nicht zu, daß sie mich auch mitnehmen. Laß es nicht zu!“ Bevor Elena antworten konnte, war er herumgewirbelt. Er betrachtete die brausende Feuerwand einen Moment, dann warf er sich hinein und rannte in den Wald. Durch die brennenden Bäume hindurch konnte Bonnie erkennen, wie er zu Boden fiel und versuchte, die Flammen auf seinem Körper zu ersticken, aufsprang und weiterlief.
Doch dann loderte das Feuer wieder auf, und sie konnte ihn nicht mehr sehen. Aber etwas anderes fiel ihr ein: Meredith und Matt. Meredith lag aufgestützt, den Kopf in Carolines Schoß, und beobachtete alles. Matt war immer noch bewußtlos. Verletzt, aber nicht so schwer wie Stefan.
„Elena“, machte Bonnie die helle Gestalt auf sich aufmerksam.
Und schaute dann einfach auf ihn. Die Helligkeit kam näher.
Stefan blinzelte nicht. Er blickte genau in das Herz des Lichts und lächelte. „Klaus ist jetzt vernichtet. Dank dir.“
„Es war Bonnie, die uns gerufen hat. Und sie hätte es ohne dich und die anderen nicht am richtigen Ort und zur richtigen Zeit tun können.“ „Ich habe versucht, mein Versprechen zu halten.“
„Ich weiß, Stefan.“ Bonnie gefiel das Ganze gar nicht. Es klang zu sehr nach Abschied - nach endgültigem Abschied. Ihre eigenen Worte kamen zu ihr zurück. Er könnte an einen anderen Ort gelangen - oder einfach verlöschen. Sie wollte, daß Stefan nirgendwo hinging. „Elena“, sagte sie. „Kannst du nicht... etwas tun? Kannst du ihm nicht helfen?“ Ihre Stimme zitterte. Und Elenas Ausdruck, als sie sich Bonnie zuwandte, so sanft und traurig zugleich, machte sie noch hoffnungsloser. Er erinnerte sie an jemanden, und dann fiel es ihr wieder ein. Honoria Fell's Augen hatten so geschaut, als blickte sie auf all das unabänderliche Unrecht in dieser Welt. All die Ungerechtigkeit, die Dinge, die nie hätten geschehen dürfen und doch geschehen waren.
„Ich kann etwas tun“, sagte sie. „Aber ich weiß nicht, ob es die Art von Hilfe ist, die er möchte.“ Sie wandte sich wieder an Stefan. „Stefan, ich kann heilen, was Klaus dir zugefügt hat.
Heute nacht habe ich soviel Macht. Aber ich kann nicht rückgängig machen, was Katherine dir angetan hat.“
Bonnies betäubter Verstand hatte eine Weile damit zu tun. Was Katherine ihm angetan hat? Aber Stefan hatte sich schon vor Monaten von Katherines Folter in der Krypta erholt. Dann verstand sie. Katherine hatte Stefan zum Vampir gemacht.
„Es ist zu lange her“, flüsterte Stefan Elena zu. „Auch, wenn du es heilen könntest, würde nur ein Häufchen Asche von mir übrigbleiben.“ „Ja.“ Elena lächelte nicht, sondern sah ihn nur fest an. „Willst du meine Hilfe, Stefan?“
„Um weiter auf dieser Welt in den Schatten leben zu müssen?“
Stefans Stimme war kaum hörbar, seine grünen Augen blickten abwesend. Bonnie hatte große Lust, ihn durchzuschütteln.
Lebe! sagte sie in Gedanken zu ihm. Sie wagte nicht, das Wort laut auszusprechen, aus Angst, ihn dadurch genau zum Gegenteil zu bewegen. Dann fiel ihr
noch etwas anderes ein. „Um es weiter zu versuchen.“ Beide sahen sie an. Sie erwiderte ihre Blicke, das Kinn vorgestreckt, und sah, wie sich ein Lächeln auf Elenas hellen Lippen formte.
Elena wandte sich an Stefan, und der Hauch des Lächelns ging auf ihn über.
„Ja“, antwortete er darauf leise. „Ich
möchte deine Hilfe, Elena.“ Sie beugte sich hinunter und küßte ihn. Bonnie sah, wie Licht von ihr auf Stefan überging, ein funkelnder Fluß, der ihn ganz umhüllte. Es schloß ihn mit einem Schauer von glitzernden Diamanten ein, wie der dunkle Nebel Klaus umrundet hatte, bis Stefans ganzer Körper glühte wie der von Elena. Dann wurde das Leuchten zu einer goldenen Aura, schien in ihn einzudringen und verschwand. Sein Hemd war immer noch zerfetzt, doch das Fleisch darunter war glatt und fest. Bonnie, die Augen vor Staunen weit aufgerissen, konnte nicht anders. Sie mußte ihn anfassen. Die Haut fühlte sich wie
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