Tagebücher: 1909-1923
selbst vor einem Monat mit einem Fräulein Frieda Brandenfeld einem Mädchen aus wohlhabender Familie sich verlobt hatte. Oft sprach er mit seiner Braut über diesen Freund und das besondere Korrespondenzverhältnis, in welchem er zu ihm stand. Da wird er gar nicht zu unserer Hochzeit kommen sagte sie und ich habe doch das Recht, alle Deine Freunde kennen zu lernen. “Ich will ihn nicht stören antwortete Georg, versteh mich recht, er würde wahrscheinlich kommen, wenigstens glaube ich es, aber er würde sich gezwungen und geschädigt fühlen, vielleicht mich beneiden und sicher unzufrieden und unfähig die Unzufriedenheit zu beseitigen allein wieder zurückfahren. Allein – weißt du, was das ist. ” “Ja kann er denn von unserer Heirat nicht auf andere Weise erfahren.” “Das kann ich allerdings nicht verhindern, aber es ist bei seiner Lebensweise unwahrscheinlich.” “Aber wirklich wenn Du solche Freunde hast, Georg hättest Du überhaupt nicht heiraten sollen. ” “Ja das ist unser beider Schuld, aber ich wollte es doch nicht anders.” Und wenn sie dann raschatmend unter seinen Küssen noch vorbrachte “Eigentlich kränkt es mich doch” hielt er es wirklich für unverfänglich dem Freund alles zu schreiben. So bin ich und so hat er mich hinzunehmen sagte er sich. Ich kann nicht aus mir einen Menschen herausschneiden, der vielleicht für die Freundschaft mit ihm geeigneter wäre, als ich es bin.
Und tatsächlich berichtete er seinem Freund in dem langen Brief den er an diesem Sonntagvormittag schrieb, die erfolgte Verlobung mit folgenden Worten: “Die beste Neuigkeit habe ich mir zum Schlusse aufgespart. Ich habe mich mit einem Fräulein Frieda Brandenhof verlobt einem Mädchen aus einer wohlhabenden Familie die sich hier erst lange nach Deiner Abreise angesiedelt hat die Du also kaum kennen dürftest. Es wird sich noch Gelegenheit finden Dir näheres über meine Braut mitzuteilen, heute genüge Dir, daß ich recht glücklich bin und daß sich in unserem gegenseitigen Verhältnisse nur insoferne etwas geändert hat, als Du jetzt in mir statt eines ganz gewöhnlichen einen glücklichen Freund haben wirst. Außerdem bekommst Du in meiner Braut, die dich herzl. grüß. läßt und dir nächstens selbst schreiben wird, eine aufrichtige Freundin was für einen Jungges. nicht ganz ohne Bedeutung ist. Ich weiß es hält Dich vielerlei von einem Besuche bei uns zurück, wäre aber nicht gerade meine Hochzeit die richtige Gelegenheit einmal alle Hindernisse über den Haufen zu werfen? Aber wie dies auch sein mag, handle ohne alle Rücksicht und nur nach Deiner Wohlmeinung.”
Mit diesem Brief in der Hand war G. lange das Gesicht dem Fenster zugekehrt an seinem Schreibtisch gesessen. Einem Bekannten, der ihn im Vorübergehn von der Gasse ausgegrüßt hatte, hatte er kaum mit einem abwesenden Lächeln geantwortet.
Endlich steckte er den Brief in die Tasche und gieng aus seinem Zimmer quer durch einen kleinen Gang in das Zimmer seines Vaters, in dem er schon seit Monaten nicht gewesen war. Es bestand auch sonst keine Nötigung dazu, denn er verkehrte mit seinem Vater ständig im Geschäft, das Mittagessen nahmen sie gleichzeitig in einem Speisehaus ein, abend versorgte sich zwar jeder nach Belieben, doch saßen sie meistens, wenn nicht Georg wie es am häufigsten geschah, mit Freunden beisammen war oder jetzt seine Braut besuchte, am Abend noch ein Weilchen jeder mit seiner Zeitung im gemeinsamen Wohnzimmer.
Georg staunte darüber, wie dunkel das Zimmer des Vaters selbst an diesem sonnigen Vormittag war. Einen solchen Schatten warf also die hohe Mauer, die sich jenseits des schmalen Hofes erhob. Der Vater saß beim Fenster in einer Ecke, die mit verschiedenen Andenken an die selige Mutter ausgeschmückt war, und las die Zeitung, die er seitlich vor den Augen hielt, wodurch er irgendeine Augenschwäche auszugleichen suchte. Auf dem Tisch standen die Reste des Frühstücks, von dem nicht viel verzehrt zu sein schien. Ah Georg sagte der Vater und gieng ihm gleich entgegen. Sein schwerer Schlafrock öffnete sich im Gehn, die Enden umflatterten ihn, mein Vater ist noch immer ein Riese sagte sich Georg. Hier ist es ja unerträglich dunkel sagte er dann. Ja dunkel ist es schon antwortete der Vater. Das Fenster hast Du auch geschlossen?
Ich habe es lieber so.
Es ist ja ganz warm draußen sagte Georg wie im Nachhang zu dem frühern und setzte sich.
Der Vater räumte das Frühstücksgeschirr ab
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