Toete John Bender
F aust, Hamlet, Biedermann und die Brandstifter, Der Untertan … was hätte alles wer den können?
Und was wurde daraus? The Breakfast Club! Die typische Teenie-Schmunzette. Idoltheater! Und dann auch noch Licht und Ton !
Frau Weißhaupt und Herr Kaiser hatten die Besetzungsliste vorgestellt und das Stück verkündet, welches aufgeführt werden sollte.
Seit der sechsten Klasse Theater-AG, und jetzt der Einsatz in Licht und Ton ! Wie ein Schlag ins Gesicht!
Enttäuschung raubte den Atem, Tränen stiegen auf, die unterdrückt werden mussten. Eigene Vorschläge blieben völlig unberücksichtigt!
Als die Enttäuschung verebbte, bahnte sie einer Welle von Wut den Weg. Wut, die zum Hass aufbrandete. Wieder mal. Die Fingernägel in den eigenen Handballen vergraben und Lippen zusammengepresst. Die Besetzung: ein fachlicher Witz. Fünf von sieben Rollen gingen an den 13ten Jahrgang, drei davon an Schülerinnen und Schüler ohne Bezug zur Theater AG. Dafür waren sie überaus beliebt. Sie sahen gut aus und waren nett. Scheiße nett! Scheiße gut aussehend!
Licht und Ton gemeinsam mit Christian. Weil man sich damit ja soo gut auskenne. Weil das wichtige, wenn nicht gar die wichtigsten, Parts waren, wie Frau Weißhaupt nicht aufhören konnte, diesen Umstand zu betonen.
Fick dich, Frau Weißhaupt!
***
E in Jahr lang hatten sie geprobt. Ein Jahr lang Hölle.
Während das Ensemble zusammenwuchs, fristeten Licht und Ton , die wichtigsten Parts (haha!) , ein Schattendasein. Sicher, es bedankten sich alle höflich, man wurde gegrüßt und konnte sich, ohne allzu großen Spott ertragen zu müssen, auf den Raucherhof stellen. Aber dazu, wirklich dazu, gehörten Licht und Ton nicht.
Christian war ein Freak. Er trug immer eine Cordhose, einen grünen Nickipullover und eine Frisur, wie sie heute, fast dreißig Jahre später, bei Jugendlichen modern ist. Wenn er in den Pausen nichts zu tun hatte, kletterte er. Er kletterte die Säulen in den Gängen und in der Aula hinauf und verbrachte sogar ganze Freistunden an der Decke hängend. Christian war Ton und warf kein gutes Licht auf Licht .
Die Aufführung. Die Aula war bis zum letzten Platz gefüllt. Licht und Ton saßen in aller Stille in dem Technikraum hinter den Publikumsrängen, erhöht, mit Blick auf die Bühne. Den Tumult von mehreren Hundert Schülern geräuschlos aus der Nähe zu beobachten, mutete skurril an. Ebenso skurril: die Aufwartung von Frau Weißhaupt und Herrn Kaiser, die erst jetzt, fünf Minuten vor Beginn der Aufführung, den Technikraum verließen.
Christian. Mit den Kopfhörern auf den Ohren stellte er laut, beinahe schreiend, Fragen zum Ablauf. Er roch nach altem und neuem Schweiß.
Licht. Licht war entspannt, von kalter Ruhe erfüllt. In den letzten Tagen waren in Licht die Bilder der geplanten Aufführung konkreter geworden und milderten den erlittenen Schmerz und die nagende Qual.
Weißhaupt und Kaiser betraten die Bühne, das Gedränge, Geschubse und Getobe auf den Rängen nahm ab und erstarb. Christian drehte einen der Regler hoch und die Ansprache zur Aufführung drang gedämpft aus den gepolsterten Ohrmuscheln in die Kabine. Die Ansprache endete, das Lehrergespann trat zur Seite, der Vorhang ging auf. Christian bediente das Mischpult und die Simple Minds gaben ›Don´t you (Forget about me)‹ zum Besten. Automatisch flogen Lichts Finger über die Regler. Zum ansteigenden Refrain brach der Samstagmorgen rot, gelb und golden hervor und malte den Schauplatz, die Schulbibliothek, in warmen Farben. Christian mischte ein Vogelzwitschern dazu, die Simple Minds sangen im Hintergrund, ehe sie ganz verstummten, ehe Torsten, Lichts langjähriger Weggefährte in der Theater-AG, als Rektor Richard Vernon die Bühne betrat und gemäß seiner ihm zugewiesenen Nebenrolle, brillant den wenig gesprochenen Sätzen Ausdruck und Präsenz verlieh. Dann kamen die scheiße netten und scheiße gut aussehenden 13-Klässler auf die Bühne und stümperten sich unter den anhimmelnden Blicken des überwiegend jüngeren Publikums von Satz zu Satz.
Licht quälte sich. Vor allem John Bender , der vermeintliche Außenseiter, war die Fehlbesetzung par excellence. Überhaupt nicht Außenseiter, überhaupt nicht einfühlsam, niemals gequält worden, weder von seinen Eltern noch von seinen Mitschülern. Im Gegenteil, der Pseudo-John Bender , war jener Typ Schüler, der mit smartem Lächeln Witze auf Kosten anderer machte; jener Schüler, den die Evolution mit sämtlichen
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