Versehentlich verliebt (German Edition)
Prolog
Z uerst warte ich auf das Klingeln meines Weckers. Oder den Signalton meines Handys. Auf irgendein Geräusch, das mich aus dem Schlaf und diesem grausamen Albtraum reißt. Aber der Wecker bleibt stumm, mein Handy liegt auf meinem Schreibtisch, eine Tür weiter in meinem Büro. Die Blätter in meiner Hand fühlen sich unglaublich schwer an, als könnte ich sie kaum zwischen den Fingern halten. Benny sieht mich überrascht an. Seine Hose ist um seine Fußgelenke gerutscht und ich sehe, wie blass seine Haut im grellen Neonröhrenlicht wirkt. Sein blanker Hintern erinnert an eine Schale mit Frischkäse. Um diese Blässe schlingen sich zwei wunderbar gebräunte und epilierte Frauenbeine, die selbst jetzt im Dezember Karibikfeeling verbreiten. Hinter Bennys Schulter taucht das rotwangige Gesicht von Theresa, der Schlampe aus der Kartografie, auf.
„Pippa! Wie bist du hier reingekommen?”
„Durch die Tür. Soll ich es noch mal vorführen?”
Meine Stimme klingt fremd in meinen Ohren – aber es muss meine sein, denn ich spüre, wie sich meine Lippen bewegen.
„Kannst du nicht anklopfen?”
Wer klopft an, bevor er den Raum mit dem Kopierer betritt? Ich arbeite seit über zwei Jahren in dieser Redaktion und noch nie habe ich angeklopft. Gut, bisher habe ich hier auch noch nie Pärchen beim Geschlechtsverkehr erwischt. Und ganz sicher habe ich meinen Freund noch nie beim Geschlechtsverkehr mit der Schlampe aus der Kartografie erwischt. Benny, mein Freund, und Theresas Geliebter, wie es scheint, hält es noch immer nicht für nötig, etwas zu sagen. Also sage ich etwas.
„Vergiss nicht, die Brennpaste für das Fondue heute Abend zu kaufen.”
Und dann gehe ich. Benny hat die Brennpaste nicht gekauft, aber sein Zeug abgeholt. Er wüßte selber nicht so recht, was los sei – aber wir würden nicht funktionieren und er bräuchte eine Pause. Nicht von der Frauenwelt, nur von mir. In dieser Pause würde Theresa das tun, was sie, wie ich später erfahren habe, schon das letzte halbe Jahr getan hat: seine Spielwiese für sexuelle Abenteuer sein und ihren Hintern auf dem Kopierer platt drücken. Natürlich habe ich genickt und war mir sicher, dass er nach zwei Tagen wieder bei mir auf der Matte stehen würde. Zu Weihnachten habe ich mir gewünscht, dass er zu mir zurückkommt. Für das Weihnachten im darauffolgenden Jahr habe ich es mir übrigens noch immer gewünscht. Vielleicht sollte ich es dieses Jahr zur Abwechslung mit einem einfacheren Wunsch versuchen: einem fliegenden Pony.
Kapitel 1
S chnee, soweit das Auge reicht. Als hätte sich die Stadt eine weiße Daunendecke über den Kopf gezogen. Nur die Lichter, die wie Sterne in den Abend hineinfunkeln, lassen darauf schließen, dass dieser Teil der Welt noch bevölkert ist.
I´m dreaming of a white Christmas … Schön und gut, aber ich heiße nicht Bing Crosby und träume auch nicht von weißen Weihnachten. Ich träume ohnehin sehr selten und wenn, dann kann ich mich kaum an den Traum und die wirren Zusammenhänge erinnern. Eigentlich nie. Selbst als meine beste Freundin mir einen Traumfänger aus ihrem USA-Urlaub mitgebracht hat, stellte sich keine Besserung ein. Können wir traumlosen Schläfer uns also nicht von solchen Songs distanzieren? Ich gebe es in der Öffentlichkeit zwar nicht zu, aber ich bin eher so ein Last Christmas - Typ. Ich denke lieber an letztes Jahr zurück und wundere mich darüber, welchen Typen ich da wieder im Vollsuff geküsst habe. Ich trinke nämlich genauso selten, wie ich träume, also fast nie. Deswegen fällt mir die Einschätzung auch ungemein schwer, wie viel von dem Cuba Libre wohl zu viel sein würde. Das ist, als ob man mich fragt: „Schätze doch mal, wie alt ich bin.“ Da habe ich eine Trefferquote von 100 Prozent. Und zwar für eine Blamage! Manche Partner meiner engsten Freundinnen haben schon wochenlang kein Wort mit mir gesprochen, weil die Antwort: „42?“ ungefähr zwölf Jahre am Ergebnis vorbeiging. Ich kann auch nicht besonders gut Entfernungen schätzen. Das erklärt, wieso ich mich bei den Bundesjugendspielen um mindestens zwei Ehrenurkunden betrogen fühle. Das müssen einfach mehr als 15 Meter gewesen sein. Von meinem Standpunkt aus flog der Ball mindestens 30 Meter! Würde ich jetzt mal schätzen.
Und ausgerechnet jetzt, da ich schätze, dass ich heute keine große Chance mehr auf einen Flieger nach Berlin habe – ausgerechnet jetzt, da meine gesamte Familie auf mich und meine Geschenke
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