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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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fuhr nach seiner Gewohnheit – er machte diese Reise schon zum zehnten Mal – ohne sich um irgendetwas sonst zu kümmern durch die im übrigen leeren Gassen zu dem Hotel, in dem er zu seiner Zufriedenheit stets zu wohnen pflegte. Es war fast kühl, der Sprühregen flog in den Wagen herein und ärgerlich über das schlechte Wetter, das ihn während der ganzen diesjährigen Geschäftsreise verfolgte, zog er das Wagenfenster in die Höhe und lehnte sich in eine Ecke, um die etwa 1/4 stündige Wagenfahrt, die ihm bevorstand, zu verschla fen. Da ihn aber die Fahrt gerade durch das Geschäftsviertel führte kam er zu keiner Ruhe und die Ausrufe der Straßenverkäufer, das Rollen der Lastfuhren, wie auch anderer ohne nähere Untersuchung sinnloser Lärm z. B. das Händeklatschen einer Volksmenge störte seinen sonst festen Schlaf.

      Am Ziel seiner Fahrt erwartete ihn eine unangenehme Überraschung. Bei dem letzten großen Brand in Stambul, von dem Liman auf der Reise wohl gelesen hatte, war das Hotel Kingston, in dem er eben zu wohnen pflegte, fast vollständig niedergebrannt, der Kutscher aber, der dies natürlich gewußt hatte, hatte mit vollständiger Gleichgültigkeit gegen seinen Passagier dessen Auftrag dennoch ausgeführt und ihn stillschweigend zu der Brandstätte des Hotels gebracht. Nun stieg er ruhig vom Bock und hätte auch noch die Koffer Limans abgeladen, wenn ihn nicht dieser bei der Schulter gepackt und geschüttelt hätte, worauf dann der Kutscher allerdings von den Koffern abließ, aber so langsam und verschlafen als hätte nicht Liman ihn davon abgebracht, sondern sein eigener geänderter Entschluß.
      Das Erdgeschoß des Hotels war noch zum Teil erhalten und durch Lattenverschläge oben und auf allen Seiten leidlich bewohnbar gemacht worden. Eine türkische und eine französische Aufschrift zeigte an, daß das Hotel in kurzer Zeit schöner und moderner als früher wieder aufgebaut werden sollte. Doch war das einzige Anzeichen dessen die Arbeit dreier Taglöhner, welche mit Schaufeln und Haken abseits Schutt aufhäuften und einen kleinen Handkarren damit beluden.
    Wie sich zeigte, wohnte in diesen Trümmern ein Teil des durch den Brand arbeitslos gewordenen Hotelpersonales. Ein Herr im schwarzen Gehrock und hochroter Kravatte kam auch sofort, als Limans Wagen angehalten hatte, herausgelaufen, erzählte dem verdrießlich zuhörenden Liman die Geschichte des Brandes, wickelte dabei die Enden seines langen dünnen Bartes um seine Finger und ließ davon nur ab, um Liman zu zeigen, wo der Brand entstanden war, wie er sich verbreitet hatte und wie endlich alles zusammengebrochen war. Liman der während dieser ganzen Geschichte kaum die Blicke vom Boden abgewendet und die Klinke der Wagentür nicht losgelassen hatte, wollte gerade dem Kutscher den Namen eines andern Hotels zurufen, in das er ihn fahren sollte, als der Mann im Gehrock ihn mit erhobenen Armen bat, in kein anderes Hotel zu gehn, sondern diesem Hotel, in dem er doch immer zufrieden gewesen war, treu zu bleiben. Trotzdem dies gewiß nur eine leere Redensart war und niemand sich an Liman erinnern konnte, wie auch Liman kaum einen der männlichen und weiblichen Angestellten, die er in der Tür und in den Fenstern erblickte, wiedererkannte, so fragte er doch, als ein Mensch, dem seine Gewohnheiten lieb sind, auf welche Weise er denn augenblicklich dem abgebrannten Hotel treu bleiben solle. Nun erfuhr er – und mußte unwillkürlich über die Zumutung lächeln – daß für frühere Gäste dieses Hotels, aber nur für solche, schöne Zimmer in Privatwohnungen vorbereitet seien, Liman müsse nur befehlen und er werde sofort hingeführt werden, es sei ganz in der Nähe er werde keinen Zeitverlust haben und der Preis sei aus Gefälligkeit und da es sich ja doch um einen Ersatz handle ganz besonders niedrig, wenn auch das Essen nach Wiener Recepten womöglich noch besser, und die Bedienung noch sorgfältiger sei als in dem frühernin mancher Beziehung doch unzureichendem Hotel Kingston.

    “Danke” sagte Liman und stieg dabei in den Wagen. “Ich bleibe in Konstantinopel nur 5 Tage, für diese Zeit werde ich mich doch nicht in einer Privatwohnung einrichten, nein ich fahre in ein Hotel. Nächstes Jahr aber, wenn ich wiederkomme und ihr Hotel wieder aufgebaut ist, werde ich gewiß nur bei ihnen absteigen. Erlauben Sie!” Und Liman wollte die Wagentüre zuziehn, deren Klinke nun der Vertreter des Hotels ergriffen hatte. “Herr! ” sagte dieser

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