Tagebücher: 1909-1923
eingesetzt sind. Wie kam ein solcher Großstadthund ins Dorf? Was trieb ihn bei Nacht im Haus herum Warum stand er bei meinem Ohr? Ich fauchte ihn an, damit er weggienge, vielleicht war er ein Spielzeug der Kinder und hatte sich zu mir nur verirrt. Er erschrak über mein Blasen, lief aber nicht weg, sondern drehte sich nur um, stand nun mit krummen Beinchen da und zeigte seinen besonders im Vergleich zum großen Kopf verkümmerten kleinen Leib. Da er ruhig blieb, wollte ich wieder schlafen, aber ich konnte nicht immerfort sah ich gerade vor meinen geschlossenen Augen in der Luft den Hund schaukeln und die Augen hervordrücken. Das war unerträglich, ich konnte das Tier nicht neben mir behalten, ich stand auf und nahm es auf den Arm, um es hinauszutragen. Aber das bisher so stumpfe Tier fieng sich zu wehren an und versuchte mit seinen Krallen mich zu fassen. Ich mußte also auch seine Pfötchen verwahren, was freilich sehr leicht war, alle 4 konnte ich in einer Hand zusammenhalten. “So mein Hündchen” sagte ich zu dem aufgeregten Köpfchen mit den sich schüttelnden Locken hinunter und gieng mit ihm ins Dunkel, um die Tür zu suchen. Erst jetzt fiel mir auf, wie still das Hündchen war, es bellte und quietschte nicht, nur das Blut klopfte ihm wild durch alle Adern das fühlte ich. Nach ein paar Schritten – die Aufmerksamkeit, die der Hund in Anspruch nahm hatte mich unvorsichtig gemacht – stieß ich zu meinem großen Ärger an eines der schlafenden Kinder. Es war jetzt auch ganz dunkel in der Bodenkammer, durch die kleine Luke kam nur noch wenig Licht. Das Kind seufzte, ich stand einen Augenblick still, entfernte nicht einmal meine Fußspitze, um nur durch keine Änderung das Kind noch mehr zu wecken. Es war zu spät, plötzlich sah ich rings um mich die Kinder in ihren weißen Hemden sich erheben, wie auf Verabredung, wie auf Befehl, meine Schuld war es nicht, ich hatte nur ein Kind geweckt und dieses Wecken war gar kein Wecken gewesen sondern nur eine kleine Störung, die ein Kinderschlaf leicht hätte überstehen müssen. Nun, jetzt waren sie wach. “Was wollt Ihr Kinder fragte ich schlaft doch weiter. ” Sie tragen etwas sagte ein Junge und alle fünf suchten an mir herum. Ja sagte ich, ich hatte nichts zu verbergen, wenn die Kinder das Tier hinaustragen wollten war es desto besser. “Diesen Hund trage ich hinaus. Er hat mich nicht schlafen lassen. Wisset Ihr, wem er gehört?” “Der Frau Cruster” so glaubte ich wenigstens aus ihren verwirrten undeutlichen verschlafenen nicht für mich nur für einander berechneten Ausrufen herauszuhören. “Wer ist denn Frau Cruster” fragte ich, aber ich bekam von den aufgeregten Kindern keine Antwort mehr. Eines nahm mir den Hund, der nun ganz still geworden war, vom Arm, und eilte mit ihm weg, alle folgten. Allein wollte ich hier nicht bleiben, die Schläfrigkeit war mir nun auch schon vergangen, einen Augenblick zögerte ich zwar, es schien mir als mische ich mich zu sehr in die Angelegenheiten dieses Hauses ein, in dem mir niemand großes Vertrauen gezeigt hatte, schließlich aber lief ich doch den Kindern nach. Ich hörte knapp vor mir das Tappen ihrer Füße, aber in dem völligen Dunkel und auf den unbekannten Wegen stolperte ich öfters und schlug sogar einmal schmerzhaft mit dem Kopf an die Wand. Wir kamen auch in das Zimmer, in dem ich die Alten zuerst getroffen hatte, es war leer, durch die noch immer offene Tür sah man den Garten im Mondlicht. “Geh hinaus” sagte ich mir “die Nacht ist warm und hell, man kann weitermarschieren oder auch im Freien übernachten. Es ist doch so sinnlos, hier den Kindern nachzulaufen. ” Aber ich lief doch weiter, ich hatte ja auch noch Hut, Stock und Rucksack oben auf dem Boden. Aber wie die Kinder liefen! Das mondbeleuchtete Zimmer hatten sie, wie ich deutlich gesehen hatte, mit wehenden Hemden in zwei Sprüngen durchflogen. Mir fiel ein, daß ich für den Mangel an Gastfreundschaft in diesem Hause gebührend dankte, indem ich die Kinder aufgescheucht hatte, einen Rundlauf durchs Haus veranstaltete, selbst statt zu schlafen das Haus durchlärmte (die Schritte der bloßen Kinderfüße waren neben meinen schweren Stiefeln kaum zu hören) und nicht einmal wußte, was sich noch als Folge alles dessen ergeben sollte. Plötzlich leuchtete es hell auf. In einem vor uns sich öffnenden Zimmer mit einigen weit offenen Fenstern saß bei einem Tisch eine zarte Frau und schrieb beim Licht einer großen schönen Stehlampe.
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