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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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sind so viele daß man achtgeben muß, daß man nicht einen zweimal nennt.

      Ich überlege es oft und lasse den Gedanken ihren Lauf ohne mich einzumischen, aber immer komme ich zu dem gleichen Schluß, daß die Erziehung mich mehr verdorben hat, als alle Leute, die ich kenne und mehr als ich begreife. Doch kann ich das nur einmal von Zeit zu Zeit ansprechen, denn fragt man mich danach: “Wirklich? Ist das möglich? Soll man das glauben” schon suche ich es aus nervösem Schrecken einzuschränken.
      Außen schaue ich wie jeder andere aus; habe Beine Rumpf und Kopf, Hosen, Rock und Hut; man hat mich ordentlich turnen lassen und wenn ich dennoch ziemlich klein und schwach geblieben bin so war das eben nicht zu vermeiden. Im übrigen gefalle ich vielen, selbst jungen Mädchen, und denen ich nicht gefalle die finden mich doch erträglich.
    Es wird berichtet und wir sind aufgelegt es zu glauben daß Männer in Gefahr selbst schöne fremde Frauen für nichts achten; sie stoßen sie an die Mauer, stoßen sie mit Kopf und Händen, Knien und Ellenbogen, wenn sie einmal durch diese Frauen an der Flucht aus dem brennenden Teater gehindert sind. Da schweigen unsere plauderhaften Frauen, ihr endloses Reden bekommt Zeitwort und Punkt, die Augenbrauen steigen aus ihrer Ruhelage auf, die Athembewegung der Schenkel und Hüften setzt aus, in den vor Angst nur lose geschlossenen Mund fährt mehr Luft als gewöhnlich und die Wangen scheinen ein wenig aufgeblasen.
      Sand: die Franzosen sind alle Komödianten; aber nur die schwächsten unter ihnen spielen Komödie
      Claqueure in den französischen Teatern: Befehlshaber im Parterre. Ha-Ha für die nächsten, Zeitung fallen lassen für die Galleriemänner
    Holzhammer zeigt den Anfang an

    19/ II 11
    Wie ich heute aus dem Bett steigen wollte bin ich einfach zusammengeklappt. Es hat das einen sehr einfachen Grund, ich bin vollkommen berarbeitet. Nicht durch das Bureau aber durch meine sonstige Arbeit. Das Bureau hat nur dadurch einen unschuldigen Anteil daran, als ich, wenn ich nicht hinmüßte, ruhig für meine Arbeit leben könnte und nicht diese 6 Stunden dort täglich verbringen müßte, die mich besonders Freitag und Samstag, weil ich voll meiner Sachen war gequält haben daß Sie es sich nicht ausdenken können. Schließlich das weiß ich ja ist das nur Geschwätz, schuldig bin ich und das Bureau hat gegen mich die klarsten und berechtigsten Forderungen. Nur ist es eben für mich ein schreckliches Doppelleben, aus dem es wahrscheinlich nur den Irrsinn als Ausweg gibt. Ich schreibe das bei gutem Morgenlicht und würde es sicher nicht schreiben, wenn es nicht so wahr wäre und wenn ich sie nicht so liebte wie ein Sohn.
      Im übrigen bin ich morgen schon wieder sicher beisammen und komme ins Bureau, wo ich als erstes hören werde, daß Sie mich aus Ihrer Abteilung weghabenwollen.

    19. II 11
      Die besondere Art meiner Inspiration in der ich Glücklichster und Unglücklichster jetzt um 2 Uhr nachts schlafen gehe [sie wird vielleicht, wenn ich nur den Gedanken daran ertrage, bleiben, denn sie ist höher als alle früheren] ist die, daß ich alles kann, nicht nur auf eine bestimmte Arbeit hin. Wenn ich wahllos einen Satz hinschreibe z. B. Er schaute aus dem Fenster so ist er schon vollkommen.
      “Wirst Du noch lange hier bleibende” fragte ich. Bei dem plötzlichen Reden flog mir etwas Speichel als schlechtes Vorzeichen aus dem Mund.
      Stört’s Dich? Wenn es Dich stört oder vielleicht vom Hinaufgehn abhält gehe ich gleich, sonst aber bliebe ich noch gern, weil ich müde bin.
    28. III 11. Maler Pollackarlin, seine Frau zwei breite große Vorderzähne oben, die das große eher flache Gesicht zuspitzen, Frau Hofrath Bittner, Mutter des Komponisten, der das Alter ihr starkes Knochengerüst so hervortreibt, daß sie zumindest im Sitzen wie ein Mann aussieht: – Dr. Steiner wird so sehr von seinen abwesenden Schülern in Anspruch genommen – Beim Vortrag drängen sich die Toten so sehr an ihn. Wißbegierde? Haben sie es aber eigentlich nötig Offenbar doch. – Schläft 2 Stunden. Seitdem man ihm einmal das Elektrische Licht eingestellt hat, hat er immer eine Kerze bei sich. – Er stand Christus sehr nahe. – Er führte in München sein Teaterstück auf. (“Da kannst Du es ein Jahr lang studieren und verstehst es nicht”) die Kleider hat er gezeichnet, die Musik geschrieben. – Einen Chemiker hat er belehrt. – Löwy Simon Seidenhändler in Paris Quai Moncey

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