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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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fertiggebracht hätte, jetzt hat er trotzdem er noch fast am Anfang ist, schon zwei unheilbare Fehler in sich und ist außerdem verkümmert. –
    Neue Tageseinteilung von jetzt ab! Noch besser die Zeit ausnützen! Klage ich hier, um hier Erhörung zu finden? Aus diesem Heft wird sie nicht kommen, sie wird kommen, wenn ich im Bett bin, und wird mich auf den Rücken legen, so daß ich schön und leicht und bläulich-weiß liege, eine andere Erlösung wird nicht kommen.
    Hotel in Kuttenberg. Morawetz, betrunkener Hausknecht, kleiner überdeckter Hof mit Oberlicht. Der Soldat der dunkel umschrieben am Geländer im ersten Stock des Hofgebäudes lehnt. Das Zimmer das man mir anbietet, das Fenster geht auf einen
    dunklen fensterlosen Korridor. Rotes Kanapee,
    Kerzenlicht. Jakobskirche, die
    frommen Soldaten, die
    Mädchenstimme im Chor
    27 (Dezember 1914)
    Ein Kaufmann war vom Unglück sehr verfolgt. Er trug es lange, aber schließlich glaubte er es nicht mehr ertragen zu können und gieng zu einem Gesetzeskundigen. Er wollte ihn um Rat bitten und erfahren, was er tun solle, um das Unglück abzuwehren oder um sich zum Ertragen des Unglücks fähig zu machen. Dieser Gesetzeskundige hatte vor sich immer die Schrift aufgeschlagen und studierte in ihr, er hatte die
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    Gewohnheit, jeden der um Rat kam, mit den Worten zu empfangen: "Gerade lese ich von Deinem Fall" hiebei zeigte er mit dem Finger auf eine Stelle der vor ihm liegenden Seite. Dem Kaufmann, der auch von dieser Gewohnheit gehört hatte, gefiel sie nicht, zwar sprach sich der Gesetzeskundige dadurch sofort die Möglichkeit zu, dem Bittsteller zu helfen und nahm diesem die Furcht von einem im Dunkel wirkenden, niemandem mit teilbaren, von niemandem mitzufühlenden Leid getroffen zu sein, aber die Unglaubwürdigkeit der Behauptung war doch zu groß und sie hatte den Kaufmann sogar davon abgehalten, schon früher zu diesem Gesetzeskundigen zu gehn. Noch jetzt trat er zögernd bei ihm ein.
    31 XII 14 Seit August gearbeitet, im allgemeinen nicht wenig und nicht schlecht, aber weder in ersterer noch in letzterer Hinsicht bis an die Grenzen meiner Fähigkeit, wie es hätte sein müssen, besonders da meine Fähigkeit aller Voraussicht nach (Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Herzschwäche) nicht mehr lange andauern wird. Geschrieben an Unfertigem: Der Proceß, Erinnerungen an die Kaldabahn, Der Dorfschullehrer, Der Unterstaatsanwalt und kleinere Anfänge. An Fertigem nur: In der Strafkolonie und ein Kapitel des Verschollenen, beides während des 14 tägigen Urlaubs. Ich weiß nicht, warum ich diese Übersicht mache, es entspricht mir gar nicht.
    4 I 15 Großer Lust eine neue Geschichte anzufangen nicht nachgegeben. Es ist alles nutzlos. Kann ich die Geschichten nicht durch die Nächte jagen, brechen sie aus und verlaufen sich, so auch jetzt "Der Unterstaatsanwalt". Und morgen gehe ich in die Fabrik, werde nach dem Einrücken Pauls vielleicht jeden Nachmittag hingehn müssen. Damit hört alles auf. Die Gedanken an die Fabrik sind mein dauernder Versöhnungstag.
    6 I 15 Dorfschullehrer und Unterstaatsanwalt vorläufig aufgegeben. Aber auch fast unfähig den Proceß fortzusetzen.
    Gedanken an die Lembergerin. Versprechungen irgendeines Glückes, ähnlich den Hoffnungen auf ein ewiges Leben. Von
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    einer gewissen Entfernung aus gesehn, halten sie stand und man wagt sich nicht näher.
    17. I 15 Gestern zum erstenmal in der Fabrik Briefe diktiert.
    Wertlose Arbeit (1 Stunde) aber nicht ohne Befriedigung.
    Schrecklicher Nachmittag vorher. Kopfschmerzen immerfort, so daß ich die Hand ununterbrochen zur Beruhigung am Kopf halten mußte (Zustand im Cafe Arco) und Herzschmerzen zuhause auf dem Kanapee.

Ottlas Brief an Erna gelesen: Als hätte es mein Affe geschrieben. Ich habe sie wirklich unterdrückt undzwar rücksichtslos aus Nachlässigkeit und aus Unfähigkeit. Darin hat F. recht. Glücklicherweise ist O. so kräftig, daß sie sich allein in einer fremden Stadt sofort von mir erholen würde. Wieviele ihrer Fähigkeiten zum Verkehr mit Menschen sind durch meine Schuld unausgenützt. Sie schreibt sie habe sich in Berlin unglücklich gefühlt. Unwahr !
    Eingesehn, daß ich die Zeit seit August durchaus nicht genügend ausgenützt habe. Die fortwährenden Versuche durch viel Schlaf am Nachmittag die Fortsetzung der Arbeit bis tief in die Nacht zu ermöglichen, waren sinnlos, denn ich konnte doch schon nach den ersten 14 Tagen sehn, daß es mir meine Nerven nicht erlauben

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