Tagebücher 1909-1923
Kartoffeln als große Kugeln heraussahen, hauptsächlich eine. Er drückte sie mit dem Löffel, vielleicht mit 2 Löffeln in die Suppe hinein oder wälzte sie bloß.
10. X 11 Einen sophistischen Artikel für und gegen die Anstalt in die Tetschner- Bodenbacher Zeitung geschrieben.
Gestern abend auf dem Graben. Mir entgegen drei
Schauspielerinnen, die aus der Probe kamen. Es ist so schwer, sich in der Schönheit von 3 Frauen rasch auszukennen, wenn man auch noch 2 Schauspieler ansehn will, die hinter ihnen in dem allzu schwingenden und auch noch beschwingten
Schauspielerschritt herankommen. Die zwei, von denen der linke mit seinem jugendlich fetten Gesicht, dem offenen um die starke Gestalt schlagenden Überzieher genug charakteristisch für beide ist, überholen die Damen, der linke auf dem Trottoir, der rechte in der Fahrbahn unten. Der linke faßt seinen Hut hoch oben, greift mit allen 5 Fingern hinein, hebt ihn hoch und ruft (jetzt erst erinnert sich der rechte): Auf Wiedersehn! Gute Nacht! Während aber dieses Überholen und Grüßen die Herren auseinandergebracht hat, gehn die gegrüßten Frauen, wie geführt von der zur Fahrbahn nächsten, die die schwächste und längste, aber auch jüngste und schönste zu sein scheint, ganz unbeirrt mit leichtem ihr abgestimmtes Gespräch kaum unterbrechendem Gruß ihren Weg weiter. Das Ganze schien mir im Augenblick ein starker Beweis dafür zu sein, daß die hiesigen Teaterverhältnisse geordnet und gut geführt sind.
Vorgestern bei den Juden im Cafe Savoy. Die "Sejdernacht"
von Feimann. Zu Zeiten griffen wir (im Augenblick durchflog mich das Bewußtsein dessen) nur deshalb in die Handlung nicht ein, weil wir zu erregt, nicht deshalb weil wir bloß Zuschauer waren.
12. X 11. Gestern bei Max am Pariser Tagebuch geschrieben.
Im Halbdunkel der Rittergasse die in ihrem Herbstkostüm dicke
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warme Rehberger, die wir nur in ihrer Sommerblouse und dem dünnen blauen Sommerjäckchen gekannt haben in denen ein Mädchen mit nicht ganz fehlerlosem Aussehn schließlich ärger als nackt ist. Da hatte man erst recht ihre starke Nase in dem blutleeren Gesicht gesehn, in dessen Wangen man lange die Hände hätte drücken können, ehe sich eine Rötung gezeigt hätte, den starken blonden Flaum, der sich auf der Wange und der Oberlippe häufte, den Eisenbahnstaub, der sich zwischen Nase und Wange verflogen hatte und das schwächliche Weiß im Blousenausschnitt. Heute aber liefen wir ihr respektvoll nach und als ich mich an der Mündung eines Durchhauses vor der Ferdinandstraße verabschieden mußte wegen Unrasiertheit und sonstigem schäbigem Aussehn (Max war gerade sehr schön mit schwarzem Überzieher, weißem Gesicht und Brillenglanz) fühlte ich nachher einige kleine Stöße von Zuneigung zu ihr.
Und wenn ich nachdachte warum, mußte ich mir immer nur sagen, weil sie so warm angezogen war.
13 X 11 Kunstloser Übergang von der gespannten Haut der Glatze meines Chefs zu den zarten Falten seiner Stirn. Eine offenbare, sehr leicht nachzuahmende Schwäche der Natur, Banknoten dürften nicht so gemacht sein.
Die Beschreibung der Rehberger hielt ich nicht für gelungen, sie muß aber doch besser gewesen sein als ich glaubte oder mein vorgestriger Eindruck von der Rehberger muß so unvollständig gewesen sein, daß ihm die Beschreibung entsprach oder ihn gar überholte. Denn als ich gestern abend nachhause gieng, fiel mir augenblicksweise die Beschreibung ein, ersetzte unbemerkt den ursprünglichen Eindruck und ich glaubte die Rehberger erst gestern gesehn zu haben undzwar ohne Max, so daß ich mich vorbereitete, ihm von ihr zu erzählen, gerade so wie ich sie mir hier beschrieben habe.
Gestern abend auf der Schützeninsel, meine Kollegen nicht gefunden und gleich weggegangen. Ich machte einiges Aufsehen in meinem Röckchen mit dem zerdrückten weichen
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Hut in der Hand, denn draußen war kalt, hier aber heiß von dem Athem der
Biertrinker, Raucher und Bläser des
Militärorchesters. Dieses Orchester war nicht sehr erhöht, konnte es auch nicht sein, weil der Saal ziemlich niedrig ist und füllte das eine Ende des Saals bis an die Seitenwände aus. Wie eingepaßt war diese Menge von Musikern in dieses Saalende hineingeschoben. Dieser Eindruck des Gedrängtseins verlor sich dann ein wenig im Saal, da die Plätze nahe beim Orchester ziemlich leer waren und der Saal sich erst gegen die Mitte füllte.
Geschwätzigkeit des Dr. Kafka. Gieng zwei Stunden hinter dem
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