Tagebücher 1909-1923
räume ein, es ist möglich. Was wäre der Erfolg? Eine Tat, ein Aufschwung? nein. Diese Tat hast Du schon einigemal vollzogen, gebessert hat sich nichts.
Suche es nicht zu erklären; gewiß kannst Du alle Vergangenheit erklären, da Du doch nicht einmal eine Zukunft wagen willst ohne sie vorher erklärt zu haben. Was eben unmöglich ist. Das was Verantwortungsgefühl ist und als solches sehr ehrenwert wäre ist im letzten Grunde Beamtengeist, Knabenhaftigkeit, vom Vater her gebrochener Wille. Das bessere, daran arbeite, das liegt unmittelbar vor Deiner Hand. Das heißt also, schone Dich nicht (überdies auf Kosten des doch von Dir geliebten Menschenlebens von F.), denn schonen ist unmöglich, das scheinbare Schonen hat Dich heute fast zugrundegerichtet. Es ist nicht nur das Schonen, was F., Ehe, Kinder, Verantwortung u. s.
w. betrifft, es ist auch das Schonen, was das Amt betrifft, in dem Du hockst, die schlechte Wohnung betrifft, aus der Du Dich nicht rührst. Alles. Also damit höre auf. Man kann sich nicht schonen, nicht vorausberechnen. Du weißt nichts von Dir in der Hinsicht, was besser für Dich. Heute in der Nacht zum B. ist in
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Dir auf Kosten Deines Gehirnes und Herzens ein Kampf zwischen zwei ganz gleichwertigen gleichstarken Motiven durchgeführt worden, auf beiden Seiten Sorgen d.h.
Unmöglichkeit der Berechnung. Was bleibt brig? Dich nicht mehr zu solchem Kampfplatz entwürdigen, wo förmlich ohne Rücksicht auf Dich gekämpft wird und Du nichts fühlst als die Stöße der schrecklichen Kämpfer. Dich schwinge also auf, Dich bessere, der Beamtenhaftigkeit entlaufe, fange doch an zu sehn, wer Du bist, statt zu rechnen, was Du werden sollst. Die nächste Aufgabe ist unbedingt: Soldat werden. Laß auch den unsinnigen Irrtum, daß Du Vergleiche anstellst, etwa mit Flaubert, Kierkegaard, Grillparzer. Das ist durchaus Knabenart. Als Glied in der Kette der Berechnungen sind die Beispiele gewiß zu brauchen oder vielmehr mit den ganzen Berechnungen unbrauchbar, einzeln in Vergleich gesetzt sind sie aber schon von vornherein unbrauchbar. Flaubert und Kierkegaard wußten ganz genau wie es mit ihnen stand, hatten den geraden Willen, das war nicht Berechnung, sondern Tat. Bei Dir aber eine ewige Folge von Berechnungen ein ungeheuerlicher Wellengang von 4
Jahren. Mit Grillparzer stimmt der Vergleich vielleicht, aber Grillparzer scheint Dir doch nicht nachahmenswert, ein unglückseliges Beispiel, dem die Künftigen danken sollen, weil er für sie gelitten hat.
8 Oktober 16 Förster:
die Behandlung der im Schulleben enthaltenen menschlichen Beziehungen zu einem Gegenstand des Unterrichts machen Die Erziehung als Verschwörung der Großen. Wir ziehen die frei Umhertobenden unter Vorspiegelungen, an die wir auch aber nicht in dem vorgegebenen Sinne, glauben in unser enges Haus. (Wer möchte nicht gern ein Edelmann sein? Türschließen) Das Lächerliche in der Erklärung und Bekämpfung von Max und Moritz.
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Der Wert des Austobens der Laster, der durch nichts zu ersetzen ist, besteht darin, daß sie in ihrer ganzen Kraft und Größe aufstehn und sichtbar werden, selbst wenn man in der Erregung der Mitbeteiligung nur einen kleinen Schimmer von ihnen sieht. Man lernt das Matrosenleben nicht durch Übungen in einer Pfütze, wohl aber kann man durch allzugroßes Training in der Pfütze unfähig zum Matrosen werden.
Seite 98 "die jüngern argwöhnen dann"
99 "heute zum erstenmal als Du kamst... "
16 Okt. (1916) Unter den 4 Bedingungen, welche die Hussiten den Katoliken als Grundlage einer Vereinigung vorlegten war auch die enthalten daß alle Todsünden, worunter sie "Fressen, Saufen Unkeuschheit Lügen Meineid Wucher, Annahme eines Beicht- und Meßpfennigs" zählten mit dem Tode bestraft werden sollten. Eine Partei wollte sogar einem jeden Einzelnen das Recht eingeräumt wissen, die Todesstrafe zu vollziehn, sobald er irgendwen mit einer der genannten Sünden befleckt erblicken würde.
Ist es möglich, daß ich die Zukunft zuerst in ihren kalten Umrissen mit dem Verstand und dem Wunsch erkenne und erst von ihnen gezogen und gestoßen allmählich in die Wirklichkeit dieser gleichen Zukunft komme?
Wir dürfen den Willen, die Peitsche, mit eigener Hand über uns schwingen.
18. (Oktober 1916) Aus einem Brief:
Es ist nicht so einfach, daß ich das was Du über Mutter, Eltern, Blumen, Neujahr und Tischgesellschaft sagst einfach hinnehmen könnte. Du sagst, daß es auch für Dich "nicht zu den größten
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