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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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werden. Ich wollte meinen Feinden nicht lebend in die Hände fallen; ebenso wollte ich, wenn mein Vorhaben gelang, nur einen glorreichen und populären Tod erlangen.
    Ich ergreife also das Wort nicht, um meinen Kopf zu verteidigen. Sie haben etwas an mir angeklagt, was viel höher zu schätzen ist als mein Leben: die Ehre. Diese will ich verteidigen, weil ich damit auch zugleich diejenigen, welche meinen Namen führen, verteidige. Meine Herren, die Anklageakte ist nur von Leidenschaft, von Bitterkeit und Lüge diktiert.«
    Indem er dem Staatsanwalt einen Blick voll Haß und Verachtung zuwarf, rief er:
    »Man hat mir niedrige Gesinnungen zugeschrieben; es fehlte nur noch, daß man mich als einen jener Ränkeschmiede, welche unter der Julisonne erblühten, dargestellt hätte.
    Was mich anbelangt, so war ich im Juli 1830 Militär und stand zu Paris in Garnison. Ich verließ die Sache Karls X., um mich der des Volkes zu widmen. Das ist alles, was ich von jener Revolution verlangte; deshalb liest man ohne Zweifel in Ihrer Anklageakte, ich würde von Habsucht verzehrt, besäße aber nicht den Mut, dieselbe durch Arbeit zu befriedigen.
    Der Mensch besitzt ein persönliches Recht gegen die Tyrannei. Wenn ein Fürst die Verfassung des Vaterlandes verletzt und sich über das Gesetz stellt, so sind die Menschen nicht verpflichtet, sondern nur gezwungen, zu gehorchen.
    In bezug auf Philipp I. hatte ich dasselbe Recht, von welchem Brutus gegen Cäsar Gebrauch machte.«
    Lebhafte Unterbrechung.
    »Man hat mich einen Mörder genannt: meinetwegen. Aber man hat mich auch einen Feigling genannt; darüber bin ich jedoch anderer Meinung, meine Herren Pairs!
    Als ich den König angriff, war er von mehr Soldaten verteidigt, als Napoleon hatte, um seinen Thron wiederzuerobern. Der regierende König ist für alle Handlungen, welche von der Macht ausgehen, verantwortlich; wenn der König über Paris den Belagerungszustand verhängt, so versetzt er sich selber in den Fall, weswegen er den Exminister Polignac durch die Pairskammer verurteilen ließ. Armes Volk! Du wirst erniedrigt und läßt deine Ohren hängen; bald wirst du deinen Rücken den Stockschlägen hinhalten, denn dahin wird es kommen. Der Königsmord ist das Recht des Menschen, der nur durch seine Hände Gerechtigkeit erlangen kann.«
    Lautes Murren auf den Bänken der Pairs.
    Der Präsident Pasquier warf einen fragenden Blick auf die Versammlung und sagte dann:
    »Ich kann Sie nicht in dieser Sprache fortfahren lassen; setzen Sie sich!«
    Alibaud mit erregter Stimme:
    »Sie verlangen meinen Kopf; mir steht es zu, ihn zu verteidigen.«
    Er ist bleich, sein Körper wird von krampfhaftem Zittern befallen; er bleibt aufrecht stehen, das Auge starr auf den Vorsitzenden gerichtet. Zwei Munizipalgardisten fassen den Angeklagten bei den Schultern und nötigen ihn, sich niederzusetzen. Er setzt sich, zwingt sich zur Fassung und überreicht sein Manuskript Herrn Ledru.
    Der Präsident zu Herrn Ledru:
    »Verteidiger, Sie dürfen dieses Schriftstück nicht behalten; dergleichen zu Prozessen gehörige Schriftstücke müssen in der Kanzlei niedergelegt werden.«
    Herr Ledru:
    »Ich nehme es, Herr Präsident; der Gerichtshof kann sich auf meine Verschwiegenheit und Vorsicht verlassen.«
    Der Präsident lebhaft:
    »Stellen Sie dieses Schriftstück dem Gerichtsschreiber zu.«
    Herr Bonjour steht auf; Alibaud ergreift ihn beim Arme.
    »Verzeihen Sie!« sagte er zu ihm. »Ihre Absicht ist, Gnade oder Mitleid für mich zu verlangen. Nein, nein! Ich will meinen Feinden nur Haß und einigen Bürgern Achtung einflößen.«
    Nachdem der Staatsanwalt eine kurze Replik gehalten und Alibaud noch einmal gefragt worden, ob er noch etwas zu seiner Verteidigung hinzuzufügen habe, verlangt er sein Manuskript wieder. Man gibt es ihm.
    Mehrere Male vom Präsidenten unterbrochen, liest er einige Sätze.
    »Der Königsmord ist eine ewige Notwendigkeit, welcher ich gehorchen muß. Der Urheber meines Unglücks ist der König, welcher Frankreich regiert; die Korruption herrscht unter den Beamten der Regierung.«
    Auf formellen Antrag des öffentlichen Ministers wird ihm das Wort entzogen und der Gerichtshof fällt das Urteil, wodurch er zur Strafe der Vatermörder verdammt wird.
    Alibaud wurde also im Hemde, barfuß, das Gesicht mit einem schwarzen Schleier verhüllt, zur Hinrichtung gefühlt. Während dieses letzten grausamen Auftritts verleugnete sich sein männlicher Mut keinen Augenblick.
    Da die Jahreszeit

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