Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher

Tagebücher

Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
Kaftan fühlen sich von ihr ergriffen und müssen lostanzen. Im Hintergrund steht das vereinigte Brautpaar, sie singen, besonders der ernste Bräutigam die Melodie nach alter Tempelgewohnheit mit.

    Erster Auftritt der zwei im Kaftan. Sie kommen mit Sammelbüchsen für Tempelzwecke in das Zimmer Seidemanns. Sehn sich um, fühlen sich unbehaglich, sehn einander an. Fahren die Türpfosten mit den Händen entlang, finden keine Mesusas. Auch bei den andern Türen nicht. Sie wollen es nicht glauben und springen an verschiedenen Türen in die Höhe und schlagen, wie beim Fliegenfangen, sich erhebend und niederfallend immer wieder ganz oben auf die Thürpfosten, daß es klatscht. Leider alles umsonst. Bisher haben sie kein Wort gesprochen.

    Ähnlichkeit zwischen der Frau Klug und der vorjährigen Frau Weinberg. Frau Klug hat vielleicht ein um eine Kleinigkeit schwächeres und einförmigeres Temperament, dafür ist sie hübscher und anständiger. Die Weinberg hatte den ständigen Witz, ihre Mitspieler mit ihrem großen Hintern anzustoßen. Überdies hatte sie eine schlechtere Sängerin neben sich und war uns ganz neu.

    Herrenimitatorin ist eigentlich eine falsche Benennung. Dadurch daß sie in ihrem Kaftan steckt, ist ihr Körper ganz vergessen. Nur durch ihr Schulterzucken und Rückendrehn, das wie unter Flohbissen geschieht, erinnert sie an ihren Körper. Die Ärmel müssen, trotzdem sie kurz sind, jeden Augenblick ein Stückchen hinaufgezogen werden, wovon sich der Zuschauer für die Frau, die soviel herauszusingen und auch in talmudischer Weise zu erklären hat, eine große Erleichterung verspricht und selbst aufpaßt, daß es geschieht.

    Wunsch ein großes jiddisches Teater zu sehn, da die Aufführung doch vielleicht an dem kleinen Personal und ungenauer Einstudierung leidet. Auch der Wunsch, die jiddische Litteratur zu kennen, der offenbar eine ununterbrochene nationale Kampfstellung zugewiesen ist, die jedes Werk bestimmt. Eine Stellung also, die keine Litteratur auch die des unterdrücktesten Volkes in dieser durchgängigen Weise hat. Vielleicht geschieht es bei andern Völkern in Kampfzeiten, daß die nationale kämpferische Litteratur hochkommt und andere fernerstehende Werke durch die Begeisterung der Zuhörer einen in diesem Sinne nationalen Schein bekommen wie z. B. die verkaufte Braut, hier scheinen aber nur die Werke der ersten Art undzwar dauernd zu bestehen.

    Der Anblick der einfachen Bühne, die die Schauspieler ebenso stumm erwartet wie wir. Da sie mit ihren 3 Wänden, dem Sessel und dem Tisch allen Vorgängen wird genügen müssen, erwarten wir nichts von ihr, erwarten mit unserer ganzen Kraft vielmehr die Schauspieler und sind daher widerstandlos von dem Gesang hinter den leeren Wänden angezogen, mit dem die Vorstellung eingeleitet wird.

    9 X 11

    20

    Sollte ich das 40te Lebensjahr erreichen, so werde ich wahrscheinlich ein altes Mädchen mit vorstehenden, etwas von der Oberlippe entblößten Oberzähnen heiraten. Die obern Mittelzähne des Frl. Kaufmann, die in Paris u. London war, sind gegeneinander verschoben, wie Beine, die man in den Knien flüchtig kreuzt. Vierzig Jahre alt werde ich aber kaum werden, dagegen spricht z. B. die Spannung, die sich mir über die linke Schädelhälfte öfters legt, die sich wie ein innerer Aussatz anfühlt und die auf mich, wenn ich von den Unannehmlichkeiten absehe und nur betrachten will, den gleichen Eindruck macht wie der Anblick der Schädelquerschnitte in den Schullehrbüchern oder wie eine fast schmerzlose Sektion bei lebendem Leibe, wo das Messer ein wenig kühlend, vorsichtig, oft stehenbleibend und zurückkehrend, manchmal ruhig liegend blätterdünne Hüllen ganz nahe an arbeitenden Gehirnpartien noch weiter teilt.

    Traum von heute nacht, den ich selbst früh noch nicht für schön hielt abgesehen von einer kleinen aus zwei Gegenbemerkungen bestehenden komischen Scene, die jenes ungeheuerliche Traumwohlgefallen zur Folge hatte, die ich aber vergessen habe. Ich gieng - ob gleich am Anfang Max dabei war weiß ich nicht - durch eine lange Häuserreihe in der Höhe des ersten bis 2ten Stockwerkes, so wie man in Durchgangszügen von einem Waggon zum andern geht. Ich gieng sehr rasch vielleicht auch weil manchmal das Haus so gebrechlich war, daß man schon deshalb eilte.
    Die Türen zwischen den Häusern fielen mir gar nicht auf, es war eben eine riesige Zimmerflucht und doch war nicht nur die Verschiedenheit der einzelnen Wohnungen sondern auch der

Weitere Kostenlose Bücher