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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Plage, seinem Zweifel ist er bewunderungswürdig, seine Gegner sind auch tüchtige Leute und erzählenswert, in einer Advokatenkanzlei, die 4 Concipisten und 2 Chefs hat, war eine Streitsache, in der er allein dieser Kanzlei gegenüberstand durch Wochen das Tagesgespräch dieser 6 Juristen. Ihr bester Redner, ein scharfer Jurist, stand ihm gegenüber, daran fügt sich der oberste Gerichtshof, dessen Urteile angeblich schlecht, einander widersprechend sind, ich sage im Tone des Abschieds eine Spur von Verteidigung dieses Gerichtes, nun bringt er Beweise, daß dieses Gericht nicht verteidigt werden kann und wieder muß man die Gasse hinauf und hinab, ich wundere mich sofort ber die Schlechtigkeit dieses Gerichtes, darauf erklärt er, warum das so sein muß das Gericht ist überbürdet, warum und wieso, gut ich muß weg, nun ist aber der Kassationshof besser und der Verwaltungsgerichtshof noch viel besser und warum und wieso, endlich bin ich nicht mehr zu halten, nun versucht er es mit meinen eigenen Angelegenheiten, wegen deren ich zu ihm gekommen bin (Gründung der Fabrik) und die wir schon längst durchgesprochen haben, er hofft unbewußt, mich auf diese Weise zu fangen und zu seinen Geschichten wieder verlocken zu können.
    Nun sage ich etwas, halte aber während meiner Worte die Hand ausdrücklich zum Abschied hin und werde so frei. Er erzählt übrigens sehr gut, in seinem Erzählen mischt sich das genaue Ausgebreitetsein der Schriftsätze mit der lebhaften Rede, wie man sie öfters bei so fetten, schwarzen, vorläufig gesunden, mittelgroßen, von fortwährendem Zigarettenrauchen erregten Juden findet. Gerichtliche Ausdrücke geben der Rede Halt. Paragraphen werden genannt, deren hohe Zahl sie in die Ferne zu verweisen scheint. Jede Geschichte wird von Anfang an entwickelt, Rede und Gegenrede wird vorgebracht und durch persönliche Zwischenbemerkungen förmlich geschüttelt, nebensächliches, an das niemand denken würde, wird zuerst erwähnt, dann nebensächlich genannt und bei Seite geschoben, ("ein Mann, wie er heißt, ist Nebensache" - ) der Zuhörer wird persönlich herangezogen, ausgefragt, während die Geschichte nebenan sich verdichtet, manchmal wird der Zuhörer sogar vor einer Geschichte, die ihn gar nicht interessieren 23
    kann, natürlich nutzlos ausgefragt, um irgend eine provisorische Beziehung herzustellen, eingeschobene Bemerkungen des Zuhörers werden nicht sofort, was ärgerlich wäre (Kubin) sondern zwar bald aber doch erst im Laufe der Erzählung an richtiger Stelle eingelegt, was als sachliche Schmeichelei den Zuhörer in die Geschichte hineinzieht, weil es ihm ein ganz besonderes Recht giebt, hier Zuhörer zu sein.

    14. X 11 Gestern abend im Savoy. Sulamit von A. Goldfaden. Eigentlich eine Oper, aber jedes gesungene Stück heißt Operette, mir scheint schon diese Kleinigkeit auf ein eigensinniges, übereiltes, auch aus falschen Gründen heißgewordenes, die europäische Kunst in einer zum Teil zufälligen Richtung durchschneidendes künstlerisches Bestreben zu deuten. Die Geschichte: Ein Held rettet ein Mädchen, das sich - "ich bet Dir großer starker Gott" - in der Wüste verirrt und vor Durstqualen in eine Cisterne gestürzt hat. Sie schwören einander Treue (meine Teuere, meine Liebst, mein Brillant gefunden in der Wüste) unter Anrufung des Brunnens und einer rotäugigen Wüstenkatze. Das Mädchen, Sulamith (Fr. Tschissik), wird von Cingitang, dem wilden Diener Absolons (Pipes) nach Betlehem zu ihrem Vater Monoach (Tschissik) zurückgeführt, während Absolon (Klug) noch eine Reise nach Jerusalem macht; dort aber verliebt er sich in Awigail ein reiches Mädchen aus Jerusalem (Klug), vergißt an Sulamit und heiratet. Sulamit wartet auf den Geliebten zuhause in Betlehem. "Viele Menschen gehen nach Jeruscholajim und kommen beschulim". "Er der Feiner will mir untreu werden! " Durch verzweifelte Ausbrüche erwirbt sie sich eine auf alles gefaßte Zuversicht und beschließt sich wahnsinnig zu stellen um nicht heiraten zu müssen und warten zu können. "Mein Wille ist von Eisen, mein Herz mach ich zur Festung".
    Und noch in dem Wahnsinn, den sie jetzt jahrelang spielt, genießt sie traurig und laut mit erzwungener Erlaubnis aller die Erinnerung an den Geliebten, denn ihr Wahnsinn handelt nur von der Wüste, dem Brunnen und der Katze. Durch ihren Wahnsinn vertreibt sie gleich ihre 3 Freier, mit denen Manoach nur durch Veranstaltung einer Lotterie in Frieden auskommen konnte: Joef Gedoni (Urich)

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