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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Da ließ ihn Balschem zu sich kommen und erlaubte ihm zum Judentum zurückzukehren. Er folgte wieder und tat wegen seiner Sünde große Buße. B. erklärte seinen Befehl damit, daß der Schüler wegen seiner ausgezeichneten Eigenschaften vom Bösen sehr verfolgt gewesen sei und daß die Taufe den Zweck gehabt habe, den Bösen abzulenken. B. warf den Schüler selbst mitten ins Böse, der Schüler tat den Schritt nicht aus Schuld sondern auf Befehl und für den Bösen schien es hier keine Arbeit mehr zu geben.

    Alle 100 Jahre erscheint ein oberster Zadik, ein Zadik Hador. Er muß gar nicht bekannt sein, kein Wunderrabbi sein und ist doch der oberste. B. war nicht Zadik Hador in seiner Zeit, das war vielmehr ein unbekannter Kaufmann in Drohobisz. Dieser hörte, daß B. wie dies auch andere Zadiks taten, Amulette schrieb und hatte den Verdacht, daß er Anhänger des Sabbatai Zewi sei und dessen Name auf die Amuletts schreibe. Deshalb nahm er ihm, ohne ihn persönlich zu kennen, von der Ferne aus die Macht jene Amuletts zu geben. B. erkannte bald die Machtlosigkeit seiner Amuletts - er hatte aber immer nichts anderes auf die Amuletts geschrieben, als seinen eigenen Namen - und erfuhr auch nach einiger Zeit, daß der Drohobyscer die Ursache dessen war. Als einmal der Dr. in die Stadt Balschems kam, - es war an einem Montag - ließ ihn B. ohne daß er es merkte einen Tag verschlafen; der Dr. blieb infolgedessen in der Zeitrechnung immer um einen Tag zurück. Freitag abend - er dachte es wäre Donnerstag - wollte er nachhause fahren, um die Feiertage zuhause zu verbringen. Da sieht er die Leute in den Tempel gehn und merkt den Irrtum.
    Er beschließt hier zu bleiben und läßt sich zu B. führen. Dieser hat schon am Nachmittag seiner Frau den Auftrag gegeben, ein Mahl für 30 Personen herzurichten. Als der Dr. kommt, setzt er sich nach den Gebeten gleich zum Essen und ißt in kurzer Zeit das für 30 Personen bestimmte Essen auf. Aber er wird nicht satt, sondern verlangt weiteres Essen. B. sagt: "Einen Engel ersten Grades habe ich erwartet, auf einen Engel zweiten Grades war ich aber nicht vorbereitet. " Er ließ nun alles Eßbare bringen, was im Hause war, aber auch das genügte nicht.

    B. war nicht Zadik Hador, aber er war noch höher. Zeuge dessen ist der Zadik Hador selbst. Dieser kam nämlich einmal abends in den Ort, wo die künftige Frau Balschems als Mädchen wohnte. Er war Gast in dem Hause der Eltern des Mädchens. Ehe er auf den Dachboden schlafen gieng, verlangte er ein Licht, aber es war keines im Hause. Er gieng also ohne Licht hinauf, aber als das Mädchen später vom Hofhinaufsah, war es oben hell wie bei einer Illumination. Da erkannte sie, daß es ein besonderer Gast war und sie bat ihn, sie zur Frau zu nehmen. Sie durfte so bitten, denn ihre höhere Bestimmung erwies sich darin, daß sie den Gast erkannt hat. Aber der Zadik Hador sagte: "Du bist für einen noch Höheren bestimmt. " Dies beweist, daß B. höher war als ein Zadik Hador.

    7 (Oktober 1915) gestern lange mit Frl. Reiß im Vestibul des Hotels. Schlecht geschlafen, Kopfschmerzen.

    Als Hinkender die Gerti geschreckt, das Schreckliche des Pferdefußes.

    Gestern in der Niklasstraße ein gestürztes Pferd mit blutigem Knie. Ich schaue weg und mache unbeherrscht Grimassen am hellen Tag.

    Unlösbare Frage: Bin ich gebrochen? Bin ich im Niedergang? Fast alle Anzeichen sprechen dafür (Kälte, Stumpfheit, Nervenzustand, Zerstreutheit, Unfähigkeit im Amt, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit) fast nur die Hoffnung spricht dagegen.

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    3 Nov. (1915) Viel gesehn in der letzten Zeit, weniger Kopfschmerzen. Spaziergänge mit Frl. Reiß.
    Mit ihr bei "Er und seine Schwester", von Girardi gespielt. (Haben Sie denn Talent? - Gestatten Sie daß ich dazwischen trete und für sie antworte: C> ja, o ja) In der städtischen Lesehalle. Bei ihren Eltern die Fahne angesehn. Die 2 wunderbaren Schwestern Esther und Tilka wie Gegensätze des Leuchtens und Verlöschens. Besonders Tilka schön: olivenbraun, gewölbte gesenkte Augenlider, tiefes Asien. Beide Shawls um die Schultern gezogen. Sie sind mittelgroß, eher klein und erscheinen aufrecht und hoch wie Göttinnen, die eine auf dem Rundpolster des Kanapees, Tilka in einem Winkel auf irgendeiner unkenntlichen Sitzgelegenheit, vielleicht auf Schachteln. Im Halbschlaf lange Esther gesehn, die sich mit der Leidenschaft, die sie meinem Eindruck nach für alles Geistige zu haben scheint, in den Knoten eines Seiles

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