Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher

Tagebücher

Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
Lebens zu ertragen. Die Uhren stimmen nicht überein, die innere jagt in einer teuflischen oder dämonischen oder jedenfalls unmenschlichen Art, die äußere geht stockend ihren 280
    gewöhnlichen Gang. Was kann anderes geschehn, als daß sich die zwei verschiedenen Welten trennen und sie trennen sich oder reißen zumindest an einander in einer fürchterlichen Art. Die Wildheit des inneren Ganges mag verschiedene Gründe haben, der sichtbarste ist die Selbstbeobachtung, die keine Vorstellung zur Ruhe kommen läßt, jede emporjagt um dann selbst wieder als Vorstellung von neuer Selbstbeobachtung weiter gejagt zu werden. Zweitens: Dieses Jagen nimmt die Richtung aus der Menschheit. Die Einsamkeit, die mir zum größten Teil seit jeher aufgezwungen war, zum Teil von mir gesucht wurde - doch was war auch dies anderes als Zwang -
    wird jetzt ganz unzweideutig und geht auf das Äußerste. Wohin führt sie? Sie kann, dies scheint am Zwingendsten, zum Irrsinn führen, darüber kann nichts weiter ausgesagt werden, die Jagd geht durch mich und zerreißt mich. Oder aber ich kann - ich kann? - sei es auch nur zum winzigsten Teil mich aufrechterhalten, lasse mich also von der Jagd tragen. Wohin komme ich dann? "Jagd" ist ja nur ein Bild, ich kann auch sagen "Ansturm gegen die letzte irdische Grenze" undzwar Ansturm von unten, von den Menschen her und kann, da auch dies nur ein Bild ist, es ersetzen durch das Bild des Ansturmes von oben, zu mir herab.

    Diese ganze Litteratur ist Ansturm gegen die Grenze und sie hätte sich, wenn nicht der Zionismus dazwischen gekommen wäre, leicht zu einer neuen Geheimlehre, einer Kabbala entwickeln können.
    Ansätze dazu bestehn. Allerdings ein wie unbegreifliches Genie wird hier verlangt, das neu seine Wurzeln in die alten Jahrhunderte treibt oder die alten Jahrhunderte neu erschafft und mit dem allen sich nicht ausgibt, sondern jetzt erst sich auszugeben beginnt.

    17 I (1922) Kaum anders.

    18. I (1922) Jenes etwas stiller, dafür kommt G. Erlösung oder Verschlimmerung wie man will.

    Ein Augenblick Denken: Gib Dich zufrieden, lerne (lerne 40jähriger) im Augenblick zu ruhn (doch, einmal konntest Du es). Ja im Augenblick, dem schrecklichen. Er ist nicht schrecklich, nur die Furcht vor der Zukunft macht ihn schrecklich. Und der Rückblick freilich auch. Was hast Du mit dem Geschenk des Geschlechtes getan? Es ist mißlungen, wird man schließlich sagen, das wird alles sein. Aber es hätte leicht gelingen können. Freilich eine Kleinigkeit und nicht einmal erkennbar, so klein ist sie, hat es entschieden. Was findest Du daran? Bei den größten Schlachten der Weltgeschichte ist es so gewesen. Die Kleinigkeiten entscheiden ber die Kleinigkeiten M. hat recht: die Furcht ist das Unglück, deshalb aber ist nicht Mut das Glück, sondern Furchtlosigkeit, nicht Mut, der vielleicht mehr will als die Kraft (in meiner Klasse waren wohl nur 2 Juden, die Mut hatten und beide haben sich noch während des Gymnasiums oder kurz darauf erschossen), also nicht Mut, sondern Furchtlosigkeit, ruhende, offen blickende, alles ertragende.
    Zwinge Dich zu nichts, aber sei nicht unglücklich darüber, daß Du Dich nicht zwingst oder darüber, daß Du, wenn Du es tun solltest, Dich zwingen müßtest. Und wenn Du Dich nicht zwingst, umlaufe nicht immerfort lüstern die Möglichkeiten des Zwanges. Freilich so klar ist es niemals oder doch, so klar ist es immer z. B.: das G. drängt mich, quält mich Tag und Nacht, ich müßte Furcht und Scham und wohl auch Trauer überwinden um ihm zu genügen, andererseits ist es aber gewiß, daß ich eine schnell und nah und willig sich darbietende Gelegenheit sofort ohne Furcht und Trauer und Scham benützen würde; dann bleibt nach dem obigen doch Gesetz, die Furcht u. s. w. nicht zu überwinden, (aber auch nicht mit dem Gedanken der Überwindung zu spielen) wohl aber die Gelegenheit benutzen (aber nicht zu klagen, wenn sie nicht kommt) Freilich es gibt ein Mittelding zwischen der "Tat" und der "Gelegenheit" nämlich das Herbeiführen, Herbeilocken der
    "Gelegenheit", eine Praxis, die ich nicht nur hier sondern überall leider befolgt habe. Aus dem
    "Gesetz" ist kaum etwas dagegen zu sagen, trotzdem dieses "Herbeilocken" besonders wenn es mit untauglichen Mitteln geschieht bedenklich ähnlich sieht dem "Spielen mit dem Gedanken der Überwindung" und von ruhender, offenblickender Furchtlosigkeit ist darin keine Spur. Es ist eben 281
    trotz "wörtlicher" Übereinstimmung mit dem

Weitere Kostenlose Bücher