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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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gewehrt.« Mein Blick wanderte durch den Raum, von den exquisiten Einlegearbeiten am Kaminsims hin zu dem wuchtigen Eichenschreibtisch, der vor dem efeubehangenen Fenster stand.
    »Ich war zu fett und bequem geworden, Dimity.
    Ich hatte mein Lehrgeld bezahlt und glaubte ein Recht auf meine Segnungen zu haben. Kit hat mich daran erinnert, dass Segnungen keine Belohnung sind – sie sind ein Geschenk, auf das ich nicht mehr Recht habe als die Männer von Sankt Benedikt, und ich schäme mich, dass ich das nicht schon früher erkannt habe.«
    Scham kann ein wertvolles Werkzeug sein , wenn es einen dazu bringt , mit anderen zu teilen . Du hast den Westwood Trust zu deiner Verfügung , Lori .
    Damit kannst du sehr viele Wunden heilen .
    »Das werde ich«, versicherte ich ihr. »Aber es reicht mir nicht, Menschen aus der Ferne zu helfen. Ich werde in Sankt Benedikt arbeiten, und sobald die Jungen alt genug sind, will ich sie mitnehmen. Ich will nicht, dass Rob und Will in einem Kokon aufwachsen. Eines Tages werden sie dem Westwood Trust vorstehen.
    Dann sollen sie aus eigener Erfahrung wissen, wie wertvoll die Arbeit ist.«
    Also war es nicht nur ein großes Ärgernis , einen Landstreicher in deiner Auffahrt zu finden .

    »Es war ein verdammt großes Glück, wenn auch getarnt.« Ich lächelte, dann wanderten meine Gedanken wieder zu Kit. »Er muss seine Reise beendet haben«, sagte ich. »Deshalb wollte er sicher auch die Schriftrolle verbrennen, aber warum kam er hierher? Warum wollte er seine Reise im Cottage beenden?«
    Eine Weile blieb die Seite leer. Dann entfaltete sich die Schrift, ganz langsam, so als verweilte Dimity bei weit zurückliegenden Erinnerungen, die sich nicht so schnell beschreiben ließen.
    Christopher war zehn Jahre alt , als Miles Anscombe das Herrenhaus verkaufte … Ein paar Tage bevor die Familie nach London aufbrach , besuchte mich Christopher noch einmal .
    Er sagte , er habe Angst davor , in der Stadt zu wohnen , aber ich musste ihm versprechen , seinem Vater nichts davon zu erzählen . Sir Miles habe vor gar nichts Angst , sagte er … Sir Miles würde sich schämen , wenn er erführe , dass sein Sohn ein Feigling sei .
    Christopher hatte eine Holzschachtel mitgebracht , in der die Orden seines Vaters lagen . Er zeigte sie mir , als müsste er mir den Beweis für Sir Miles Tapferkeit liefern . Er sagte , immer wenn er Angst habe , würde er die Orden ansehen und sich sagen , dass er der Sohn eines Helden sei . Bevor er ging , versprach er mir , eines Tages wiederzukommen , wenn er ein Mann geworden sei , auf den sein Vater stolz sein könne .
    Ich glaube , Christopher wollte einfach sein Versprechen einlösen .
    Das Feuer zischte und knackte, und der Wind stöhnte im Kamin. Es gibt verschiedene Arten von Tapferkeit, sinnierte ich, und viele Schlachtfelder. Wenn es Orden für Mitleid gäbe, wäre Kit mindestens so hoch ausgezeichnet wie sein Vater.
    An der Tür zum Arbeitszimmer klopfte es. Ich hatte gerade noch Zeit, das Buch zu schließen, als Bill hereinkam und sich vor mir aufbaute.
    »Die Zeit ist um«, erklärte er.
    Ich legte das Tagebuch auf die Ottomane, genau zwischen Reginald und Lancaster, und gestattete Bill, mich den Flur entlangzuziehen.
    »Was soll das?«, fragte ich, als er mich zur Haustür hinausschob.
    »Das wirst du gleich merken«, sagte er.
    Die grellen Lichter waren zum Glück erloschen. Eine samtene Brise umschmeichelte meine Wangen, und der bleiche Mond segelte durch zerklüftete Wolken, tauchte das Cottage in silbernes Licht und zeichnete dunkelblaue Schatten in den Schnee.
    »Bill …«

    »Psst«, sagte er. »Hör zu.«
    Ich hielt den Atem an, und dann hörte ich es in der klaren Nachtluft, ganz leise. Die Glocken von Sankt Georg läuteten fröhlich. Wir standen schweigend da und lauschten den mitternächtlichen Glocken, dann legte Bill seine Arme um mich.
    »Es tut mir leid, wie manches gelaufen ist«, sagte er. »Wenn ich mich recht entsinne, wollten wir beide zwei Wochen zusammengekuschelt vor dem Kamin verbringen und uns ansonsten der Familie widmen.«
    »In deiner Abwesenheit ist unsere Familie erheblich größer geworden«, entgegnete ich. »Sie erstreckt sich weit über das Cottage und das Dorf hinaus, und sie umfasst Menschen, die wir noch nicht mal kennen.«
    »Das hört sich an, als bräuchten wir nächstes Jahr einen größeren Kamin«, sagte Bill.
    »Hast du was dagegen?«, fragte ich.
    »Wie kann ich gegen irgendetwas sein, das deine Augen so zum

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