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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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und notierte die Namen, die Miss Kingsley aufzählte.
    »Eine Tante, Anthea, und dann zwei Onkel, Thomas und Williston, die alle im Ruhestand sind.
    Die Firma wird im Moment von Cousine und Vetter betrieben, Lucy und Arthur. Lucys jüngere Schwestern arbeiten ebenfalls in der Firma, aber die sind im Moment beide im Mutterschaftsurlaub.«
    Haben die ein Glück , dachte ich. Dann sah ich mir die Liste mit erneutem Interesse an und fügte im Geiste hinzu: Hab ich ein Glück . Eine Tante, zwei Onkel und fünf Vettern und Cousinen, von denen zwei im Begriff waren, eine neue Generation von Willis zu produzieren – für mich gab es eine ganze neue Verwandtschaft, die ich kennen lernen konnte. Ich sah es als eine weitere Chance, in Bills Familie hineinzuwachsen. »Warum ist Gerald denn aus der Firma ausgeschieden?«
    »Das weiß man nicht so genau«, erwiderte Miss Kingsley. »Ich habe nur Gerüchte über finanzielle Unregelmäßigkeiten gehört und war selbst Zeuge weiterer … Unregelmäßigkeiten.«
    »Wein, Weib, Gesang?«, fragte ich, amüsiert über Miss Kingsleys Zurückhaltung. »Oder ist es etwas Ernsteres?«
    »Sagen wir einfach, dass Gerald seit seinem Ausscheiden aus der Firma angefangen hat, eine gewisse Dame ins Flamborough einzuladen, wie sie in unserem Restaurant eigentlich nicht willkommen ist«, entgegnete Miss Kingsley steif.
    »Oho«, murmelte ich.
    »Es war eigentlich zu erwarten«, versicherte Miss Kingsley mir. »Gerald ist Ende dreißig, sieht sehr gut aus und hat Geld. Aber warum er sich ausgerechnet mit einer ältlichen …« Miss Kingsley unterbrach sich. »Na ja, wie meine Tante Edwina immer sagte, über Geschmack kann man nicht streiten.«

    »Haben Sie Geralds Adresse in Haslemere?«, fragte ich.
    »Natürlich«, sagte Miss Kingsley. »Wenn Sie einen Augenblick warten …«
    Ich hörte sie Schubladen öffnen und mit Karten rascheln. Miss Kingsley hatte dem Computerzeitalter den Rücken gekehrt und verließ sich lieber auf ihr altbewährtes System, das aus kleinen hölzernen Schubladen und vielen, vielen Karteikarten bestand. Kein Dieb konnte elektronisch in Miss Kingsleys Archiv eindringen, und der Einbrecher, der auf herkömmlichem Weg in ihr Büro einzudringen vermocht hätte, musste erst noch geboren werden. Diese Karten wurden ausschließlich von Miss Kingsleys versierten Fingern berührt, und es dauerte auch gar nicht lange, ehe sie sich mit der gewünschten Information zurückmeldete.
    »Eine Frage noch, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte ich. »Was war das für ein Beruf, den Gerald in der Firma aufgegeben hat?«
    »Habe ich Ihnen das nicht gesagt?«, fragte Miss Kingsley. »Gerald ist – war – Rechtsanwalt. Die Familie hat ihre Kanzlei in London. Möchten Sie die Adresse auch?«
    Also werden Familientraditionen auch hier aufrechterhalten, dachte ich, als ich die Adresse einer weiteren WillisFamilienfirma notierte. Gerald war Rechtsanwalt, genau wie Bill, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass Bill von Willis & Willis Geld unterschlagen und sich, in Ungnade entlassen, damit in die Berkshires zurückziehen würde. Gerald musste ein sehr erfolgreicher Rechtsanwalt gewesen sein – oder ein sehr geschickter Betrüger, wenn man den Gerüchten glauben sollte –, um seinen Beruf an den Nagel hängen und trotzdem mit einer Dame von zweifelhaftem Ruf in einem noblen Hotel wie dem Flamborough dinieren zu können.
    Aber wo ein Willis war, da war gewöhnlich auch Geld.
    Es gehörte nicht viel Fantasie dazu, um zu begreifen, warum Dimity nicht wollte, dass Willis senior nach Haslemere fuhr und Fragen stellte. Ein schwarzes Familienschaf wie Vetter Gerald könnte etwas dagegen haben und sich – notfalls mit Gewalt – dagegen wehren, dass man ihn einem Verhör unterzog.
    »Und?«, fragte Emma, als ich den Hörer aufgelegt hatte.
    »Ich habe Vetter Geralds Adresse und Telefonnummer«, erklärte ich, »und Miss Kingsley sagt
    …«
    Ich unterbrach mich, weil ich das Geräusch von Autoreifen auf dem Kies vor dem Haus hörte. Ich schaute auf Ham, der die Ohren aufgerichtet hatte, und ging in den Flur, weil ich wider alle Vernunft hoffte, den leichten Schritt von Willis senior zu hören.
    Stattdessen hörte ich den schweren Tritt von Arbeitsstiefeln, in denen Derek Harris durch die Haustür und den Flur entlang kam. Mit seinen eins dreiundneunzig musste er sich bücken, wenn er ins Arbeitszimmer trat, und selbst dann streiften seine grauen Locken den Türrahmen. Er kam offenbar direkt von

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