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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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aber sein Vater war ein Schatz, mit dem ich mich bestens verstand.
    Seine Tanten jedoch waren ein schwieriges Kapitel. Honoria und Charlotte waren zwei spindeldürre, grauhaarige Witwen Ende fünfzig, und als ich sie sah, verstand ich, warum Bills Vettern nach Kalifornien geflohen und nie zurückgekehrt waren.
    Meine Schwiegertanten waren schmalhüftig und dünnlippig und hatten mich mit jener Wärme in die Familie aufgenommen, die man von zwei Frauen erwarten kann, deren Hoffnungen auf eine standesgemäße Heirat ihres Lieblingsneffen sich zerschlugen, als er mir den Heiratsantrag machte.
    Sie hatten alles Mögliche gegen mich, aber der Hauptgrund ihrer Ablehnung schien zu sein, dass ich, obwohl ich zweiunddreißig Jahre zählte und schon einmal verheiratet gewesen war, immer noch keinen Beweis geliefert hatte, dass ich eine geeignete Zuchtstute für den WillisStall war. Sie drückten es zwar nicht ganz so krass aus, aber wenn Blicke schwanger machen könnten, dann hätte ich zu jedem Weihnachtsfest Zwillinge bekommen.

    Die nüchterne Wahrheit war, dass ich als Zuchtstute wohl keine Preise gewinnen würde. Ich war das einzige Kind zweier Einzelkinder, die zehn Jahre gebraucht hatten, um mich zustande zu bringen, also waren meine Chancen im Fruchtbarkeitslotto nicht gerade überwältigend.
    Mir machte es nichts aus. Nicht viel jedenfalls.
    Ich will gar nicht leugnen, dass ich so manchen Morgen auf die Delle in Bills Kopfkissen starrte und mich fragte, ob in unserem Haus jemals das Trippeln von Kinderfüßchen zu hören sein würde, wenn ich nicht einmal mehr seine Schritte im Schlafzimmer wahrnahm. Jedoch sprach ich nie davon, außer ein einziges Mal in einem Augenblick großer Schwäche gegenüber meiner Freundin Emma Harris in England, und Emma hatte mir versprochen, das Thema nie mehr zu erwähnen. Aber Honoria und Charlotte erwähnten es oft. »Hast du vielleicht eine freudige Mitteilung für uns, Lori?«, war eine Frage, die ich zu hassen lernte, denn ich hatte schon zwei lange Jahre keine freudige Mitteilung, für niemanden.
    Aber auch wenn ich Drillinge produziert hätte –  Bills Tanten hätten mich trotzdem abgelehnt. Dank Tante Dimitys Erbe konnten sie mich nicht direkt der Erbschleicherei bezichtigen, aber der Verdacht, ein Emporkömmling zu sein, lag immer in der Luft.

    Sie versäumten es nie, meine kleinen Ungeschicktheiten und Fauxpas aufs Schärfste zu kritisieren.
    Bills Freunde und Geschäftspartner gaben ebenfalls ihre Kommentare ab, aber sie nannten mich
    »erfrischend«. Der Gouverneur fand meine Beschreibung der primitiven Waschgelegenheiten in einigen irischen Jugendherbergen »erfrischend«.
    Ein Mitglied im Aufsichtsrat des Bostoner Museums of Fine Art fühlte sich von meiner Schilderung, wie ich eine seltene Erstausgabe eines Brontë
    Romans aus einem Kuhstall in Yorkshire gerettet hatte, ebenfalls »erfrischt«. Es schien, dass ich jedes Mal, wenn ich etwas sagte, was eine wohlerzogene Dame in Gesellschaft nie über die Lippen gebracht hätte, »erfrischend« war.
    Vielleicht wurde es auf die Dauer langweilig, eine »erfrischende« Frau zu haben. Vielleicht hörte Bill auf seine Tanten. Vielleicht waren die tieferen Dinge, die wir in unserem Cottage aneinander entdeckt hatten, nicht länger wichtig, wenn die Dinge an der Oberfläche nicht stimmten.
    Wenn ich versuchte, mit Bill darüber zu sprechen, dann verwuschelte er mir nur die Haare und sagte, ich sei albern. Und meinem Schwiegervater konnte ich mich auch nicht anvertrauen. Willis senior war so entzückt von der Heirat seines Sohnes gewesen, dass ich es nicht übers Herz brachte, ihm zu gestehen, dass nicht alles wie geplant lief.
    Emma Harris war meine beste Freundin in England und Meg Thomson wohnte hier in Amerika gar nicht so weit weg, und ich wusste, dass sie beide zugehört hätten, aber es war mir zu peinlich, als dass ich zu einer von ihnen auch nur ein Wort hätte sagen können. Menschen, denen drei Wünsche erfüllt worden sind, sollten eigentlich keine weiteren Wünsche haben. Und trotzdem saß ich hier und wünschte mir, dass jemand Bill mit einem metaphysischen Holzhammer eins überziehen würde und ihn zu Verstand brächte. Und zu mir zurück, ehe es zu spät war.
    In meiner Verzweiflung organisierte ich eine Reise, die ich als unsere zweiten Flitterwochen bezeichnete. Bill überraschte mich, indem er sich einverstanden erklärte. Wir würden in meinem Cottage in England wohnen, den Telefonstecker herausziehen, alle

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