Tanz der seligen Geister (German Edition)
gesagt, kann sie nicht verpflichtet werden, wenigstens das Haus anzustreichen oder einige der Schuppen abzureißen, und die haben gesagt, nein, das geht nicht. Ich habe gesagt, es muss doch irgendeine Vorschrift gegen solche Leute geben, und die haben gesagt, sie wüssten, wie’s mir geht, und es täte ihnen sehr leid …«
»Aber nein?«
»Aber nein.«
»Was ist denn mit den Hühnern, ich dachte …«
»Wir dürfen natürlich keine Hühner halten, aber siehat auch dafür eine Ausnahmegenehmigung, ich weiß nicht mehr, wieso.«
»Ich werde die Eier nicht mehr kaufen«, sagte Janie Inger. »Im Supermarkt sind sie billiger, und was liegt schon daran, ob sie nun taufrisch sind? Und erst der Gestank! Ich habe zu Carl gesagt, mir war ja klar, dass es uns in die Provinz verschlägt, aber ich habe mir das nicht nebenan von einem heruntergekommenen Hof vorgestellt.«
»Gegenüber ist es schlimmer als nebenan. Ich frage mich, warum wir das Geld für ein Panoramafenster ausgegeben haben, denn wenn Besuch kommt, muss ich die Vorhänge zuziehen, damit der nicht sieht, was auf der anderen Straßenseite ist.«
»Alles schön und gut«, sagte Steve und schnitt den Frauen das Wort ab. »Was Carl und ich euch sagen wollten, war, wenn wir mit dem Straßenplan durchkommen, muss sie gehen. Er ist einfach, und er ist legal. Das ist das Schöne daran.«
»Was für ein Straßenplan?«
»Dazu kommen wir gleich. Carl und ich, wir basteln seit zwei Wochen daran, aber wir mochten nicht darüber reden, falls es nicht klappt. Mach du weiter, Carl.«
»Na ja, sie sitzt auf einer genehmigten Straße, das ist alles«, sagte Carl. Er war Immobilienmakler, beleibt, seriös und erfolgreich. »Ich hatte eine Ahnung, dass es so sein könnte, also bin ich runter zur Stadtverwaltung und hab’s nachgeschlagen.«
»Was bedeutet das, Liebling?«, fragte Janie beiläufig, fraulich.
»Das ist es eben«, sagte Carl. »Es gibt eine Genehmigung für eine Straße, noch aus alter Zeit, weil man damals dachte, falls das Gebiet je erschlossen wird, dann kommt da eine Straße hin. Aber man hat nie recht dran geglaubt, denn die Leute bauten einfach, wo sie wollten. Ein Teil ihres Hauses und ein halbes Dutzend Schuppen stehen genau da, wo die Straße verlaufen soll. Und wir, wir bringen jetzt die Stadtverwaltung dazu, dass die Straße gebaut wird. Wir brauchen sowieso eine Straße. Dann muss sie raus. Das ist geltendes Recht.«
»Geltendes Recht«, sagte Steve voller Bewunderung. »Was für ein kluger Junge. Diese Immobilienmakler sind kluge Jungs.«
»Bekommt sie was dafür?«, fragte Mary Lou. »Ich habe den Anblick gründlich satt, aber ich möchte niemanden im Armenhaus sehen.«
»Natürlich kriegt sie Geld dafür. Mehr als das Grundstück wert ist. Eigentlich ist das zu ihrem Vorteil. Sie bekommt noch Geld dafür, dabei kann sie es weder verkaufen noch verschenken.«
Mary stellte ihre Kaffeetasse hin, bevor sie sprach, und hoffte, ihre Stimme werde sich normal anhören, nicht erregt oder verängstigt. »Aber man muss doch bedenken, wie lange sie schon da ist«, sagte sie. »Siewar schon hier, da waren die meisten von uns noch nicht geboren.« Sie suchte verzweifelt nach anderen Worten, die vernünftiger, einleuchtender waren; sie durfte auf keinen Fall Beweggründe, die für unerheblich oder romantisch gehalten werden konnten, dieser Woge aus Realitätssinn entgegensetzen, sonst würde sie sich ihrer Argumente berauben. Aber sie hatte keine triftigen Argumente. Es half nichts, sich die ganze Nacht lang den Kopf zu zerbrechen, sie fand keine Worte, die gegen die Wörter der anderen bestehen konnten, Wörter, die jetzt unbesiegbar von allen Seiten auf sie einströmten: Schuppen, Schandfleck, schmutzig, Grundstück, Wert.
»Glaubst du wirklich, dass Leute, die ihr Grundstück so herunterkommen lassen, derart viel Anspruch auf unser Mitgefühl haben?«, sagte Janie aus dem Gefühl heraus, dass der Plan ihres Mannes angegriffen wurde.
»Sie ist vierzig Jahre lang hier gewesen, und jetzt sind wir hier«, sagte Carl. »So ist das nun mal. Und ob dir das nun klar ist oder nicht, nur indem das Haus da steht, senkt es den Wiederverkaufswert eines jeden Hauses in dieser Straße. Ich bin vom Fach, ich muss es wissen.«
Und noch andere Stimmen mischten sich ein; es kam kaum auf das an, was sie sagten, viel wichtiger waren der Behauptungswille und der Zorn, die aus ihnensprachen. Das war ihre Stärke, Beweis dafür, dass sie erwachsene und ernsthafte
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