Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
meine Füsse schmerzten, meine Wunde juckte, meine Beine sich wie Gummi anfühlten und ich grossen Durst hatte, machte dieses Lächeln alles wett. Es war, als wäre noch eine Sonne am Himmel aufgegangen. Eine Sonne, die alle Sorgen in sich aufsaugen könnte. Ich lächelte zurück und schritt mit gestärkten Schritten vorwärts. Alle Müdigkeit fiel von mir ab, und ich fühlte mich frisch und frei.
»Siehst du diese Hügelkette da vorne?«, fragte Giardio mich. Ich kniff die Augen zusammen, strengte mich an,und nach ein paar weiteren Schritten sah ich sie. Ich nickte und blickte ihn erwartungsvoll an.
»Dahinter liegt Norjomi«,erläuterte er. Fragend sah ich ihn an. Er lachte wieder sein perlendes heiseres Lachen.
»Norjomi ist die Hauptstadt von Taquanta. Königin Opalia wohnt dort im Edelsteinpalast.«
»Wie ist die Königin so? Wie soll ich mich ihr gegenüber verhalten?«, wollte ich wissen.
»Sie ist äusserst freundlich, hilfsbereit und eine phantastische Zuhörerin. Sie ist einfach wunderschön, innen wie aussen.«
Seine schwärmerischen Worte trafen mich unerwartet stark, doch ich liess es mir nicht anmerken. Er war nur mein Reisebegleiter und Retter. Mein unglaublich gut aussehender, sympathischer Reisebegleiter und Retter.
»Ist da jemand verliebt in ihre Hoheit?«, stichelte ich, um dieses beklemmende Gefühl zu überspielen. Er grinste: »Natürlich nicht! Was denkst du denn, sie ist die Königin, und ausserdem ist das nicht nur meine Meinung. Schliesslich waren sie und ihre Schwester als die ›Schönen Steine‹ bekannt.« Als ich fragend die Augenbrauen hob, beeilte er sich hinzuzufügen: »Ihre Schwester hiess Rubinia, und da sie beide wunderschön sind … waren … sind, und weil ihre beiden Namen von einem Edelstein abgeleitet wurden, passt diese Bezeichnung hervorragend.«
»Wieso sind … waren? Ist Rubinia etwa gestorben?«, riet ich. Er nickte abwesend, und ich merkte, dass er mir mehr darüber erzählen würde, aber dass jetzt nicht die Zeit dafür war. »Nun, wie soll ich mich verhalten?«
»Ach ja, stimmt. Also, eigentlich musst du nicht viel wissen, denn sie wird es natürlich verstehen, wenn du unsere Sitten nicht kennst, aber du musst, wenn sie eintritt, dich so auf den Boden setzen.«
Er kniete nieder und liess sich dann langsam auf die rechte Seite gleiten, so dass er am Ende seiner kleinen Vorführung mit gekreuzten Fussgelenken und aufrechtem Oberkörper auf dem Boden sass. Es sah nicht sonderlich bequem aus, dafür jedoch umso amüsanter. Ich prustete los.
»Ha, ha, ha. Das ist die Position für die Frauen. Wir Männer sitzen anders.«
»Aha«, stiess ich zwischen zwei Lachern hervor.
»Ausserdem musst du, wenn sie dich dazu auffordert, das Medaillon auf ihrer Stirn küssen.«
»Ist das dein Ernst?«
»Natürlich. Das Schmuckstück symbolisiert unser Land und seine Königin. Saphria wird es genannt, aber das wirst du bald alles selbst zu Gesicht bekommen.«
Er zeigte nach unten, und ich merkte erst jetzt, dass wir auf dem Hügel standen und über die traumhafteste Stadt blickten, die ich je gesehen hatte.
Die Häuser waren alle niedrig gebaut und sahen aus wie einfache Bauernhäuser und Alphütten. Sie waren eher klein und hatten flache Dächer. Doch was sie von den einfachen, mir bekannten Häusern in meiner Welt unterschied war, dass hier alle Häuser aus Topas waren. Der hellbräunliche Edelstein sah in der Sonne einfach bezaubernd aus. Doch das, was meine Aufmerksamkeit vollkommen beanspruchte, stand in der Mitte der grossen Stadt auf einem Hügel.
Rund um den Fuss des Hügels breitete sich die Stadt aus, während oben das wunderbarste Gebäude, das ich je gesehen hatte, stand. In der Mitte befand sich eine hohe dicke Säule aus bläulich-grün gesprenkeltem Opal, eine enge Spirale aus hellorange Topas schlängelte sich darum, die in der Sonne funkelte.
»Wow«, stiess ich hervor.
»Wunderschön, nicht? Das ist der Edelsteinpalast. Das Ziel unserer Reise, na komm.«
Wir liefen hinab zur Stadt, und ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus.
In der Stadt boten Händler ihre Ware dar, Gaukler führten ihre Kunststücke vor und Kinder spielten auf den gepflasterten Strassen. Es erinnerte mich an mein Zuhause in Wien, wie es ausgesehen haben musste vor ungefähr 150 Jahren. Ich sah mich um, lachte ausgelassen, wenn mich etwas amüsierte, und berührte die Wände der Häuser. Sie waren glatt und kühl und ein angenehmer Kontrast zu der prallen Sonne. Ich war so
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