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Taqwacore

Taqwacore

Titel: Taqwacore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Knight
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Betonfundamente des Gebäudes erkennen, das früher dort gestanden hatte. Vier Treppenstufen, die wohl einst zu einer Tür geführt hatten. Einkaufswagen, halb von Schnee bedeckt. Autoreifen. Paletten. Orange Kegel. Viele nützliche Dinge, die zu Pyramiden aufgeschichtet und dann vergessen worden waren. Backsteine, Betonzylinder, Metallrohre. Ein Autowrack, alle vier Türen geöffnet, völlig abgefackelt, sodass man nicht einmal mehr erkennen konnte, welche Farbe es gehabt hatte, die Sitze fehlten, und dort, wo einst das Armaturenbrett gewesen war, quoll ein Gewirr aus roten Drähten hervor. Drumherum standen weitere Gebäude mit vernagelten oder zugemauerten Fenstern.
    »Wäre Amazing Ayyub doch hier«, sagte Jehangir. »Dann könnte er uns erzählen, wie tot Buffalo ist.«
    »Ja«, sagte Muzammil.
    »Weißt du noch, wie Fasiq den Hund gefunden hat?«, fragte Jehangir mich.
    »Ilm?«
    »Ja, Ilm. Ilm den Hund.«
    »Ja.«
    »Glaubst du, er lebt noch?«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.«
    »Inschallah. Der Eriesee im Winter, Yakhi. Die ganzen kalifornischen Bands haben keine Ahnung, was sie hier erwartet. Neulich hat Rabeya sich darüber beklagt, dass die Kleidung der Muslime immer so dünn ist … sie stellen keine Salwar Kamize her, die für Buffalo geeignet sind.«
    Dann fuhren wir zur Galleria-Mall, wo sich Jehangir lächelnd auf dem Schoß eines Weihnachtsmannes ablichten ließ. Als wir zu »Finale« von Uncool vom Parkplatz fuhren, hielt er das Polaroid vorsichtig an den Ecken fest.
    Zu Hause überlegte ich, ob ich eine Runde mit meiner rechten Hand einlegen sollte, als Jehangir in mein Zimmer platzte.
    »Ich hab was für dich«, sagte er und warf ein Buch in meine Richtung. Ich fing es auf und sah mir den Umschlag an, auf dem die kitschige Zeichnung eines Bösewichts prangte, der aussah, als wäre er einem Flash-Gordon-Comic entsprungen, eine Laserpistole hielt und teuflisch grinste; darüber stand in einer breiten, altmodischen Schrift: Vierundzwanzig Septendezillionen von Abu Afak.
    »Was ist das?«
    »Der große islamische Pulp-Roman«, antwortete Jehangir. »Er ist aus den Vierzigerjahren – der Blütezeit von Science-Fiction-Heften wie Amazing Stories und so weiter, das Zeug, mit dem Typen wie Ray Bradbury aufgewachsen sind. Abu Afak war praktisch ein Philosoph, der seine Ideen als bescheuerte Weltraumgeschichten getarnt hat. Er war sowas wie der islamische Robert Heinlein.«
    »Und worum geht es in dem hier?«
    »Muslime landen auf dem Pluto.«
    »Ohhhhh-kay …«
    »Es ist cool, schau mal rein. Also, in der Zukunft ist Pakistan die Supermacht, die die Welt regiert. Der Typ, um den es geht, wächst in der fiktiven Stadt Jinnahabad auf, wo sein Vater der Muezzin der größten Moschee der Welt ist, und dann nimmt er als Astronaut an der ersten Expedition zum Pluto teil, und nachdem er als erster Mensch den Pluto betreten hat, stimmt er den Adhan an.«
    »Interessant.«
    »Schau einfach mal rein.«
    Er ging hinaus und ich saß mit Abu Afak auf dem Bett. Die Seiten waren bräunlich-gelb und rochen muffig.

 
     
     
    Kapitel VIII
     
     
    Die Besatzung blickte hinaus auf die Eisdünen, von denen die blinkenden Lichter ihres Raumschiffs reflektiert wurden. Mit jedem pumpenden Herzschlag, wenn die Landschaft für einen kurzen Augenblick erhellt wurde, konnten sie die Silhouette ihres Kapitäns gegen das Licht erblicken. Er sah nicht zurück. Seine Augen waren nass und die Nackenhaare standen ihm zu Berge, als er die Hände bis zu seinem blasenförmigen Helm erhob. Allahu Akbar, Allahu Akbar! Seine Stimme drohte zu versagen. Allahu Akbar, Allahu Akbar! Er hatte nicht erwartet, zum heiligsten Mann seiner Zeit zu werden, doch es war so gekommen, hauptsächlich aus Zufall.
    Als sein Ruf vom äußersten Rand des Sonnensystems die gebrochene, geknechtete Umma erreichte, dachte er daran, wie der Adhan seines Vaters von den Minaretten der al-Amin-Moschee erklungen war. Nun war auch er ein Muezzin geworden.
    Allahu Akbar. Allahu Akbar. La ilaha illa Allah.
    Dann wurde es still auf dem kalten Pluto, während die Gläubigen im sehr viel wärmeren Pakistan ihr Wudu verrichteten.
    –  Abu Afak, Vierundzwanzig Septendezillionen
    Winter in Buffalo.
    Der Schnee fiel so regelmäßig, dass er gar nicht erst schmutzig werden konnte. Er fiel leicht und harmlos, aber auf dem Boden wurde er immer höher. Er bedeckte die Straßen und ließ die Hinterräder der Autos wegrutschen.
    Alles war voller Streusalz. Autos, Parkplätze,

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