Cote d'Azur, Monaco
Bild: Strand von Escalet südlich von St-Tropez
Luxus, Trubel, Paläste und exotische Blütenpracht am Meer, beschauliche Ruhe, grandiose Naturschauspiele und einsame Felsendörfer im Hinterland: Die Côte d’Azur ist das Land der harten Kontraste. Doch die ziehen sich ja bekanntlich an. Das milde Mittelmeerklima und die Sonne genießen die 20 000 Menschen, die in den Firmen des Hightechparks Sophia-Antipolis arbeiten, genauso wie die sensiblen Nasen, die sich in Grasse, der Welthauptstadt des Parfüms, auf eine 400 Jahre alte Tradition berufen. Oder wie die Millionen von Urlaubern an der Küste, die Frankreich mit schöner Regelmäßigkeit den Titel des Tourismusweltmeisters bescheren.
Kaum ein Landstrich in Europa hat sich in den letzten 200 Jahren so oft und so schnell gewandelt wie die Region zwischen Toulon im Westen, Menton im Osten, den Verdon-Schluchten und dem Parc National du Mercantour im Norden. Jahrhundertelang war die Küste nur Durchgangsstation zwischen Nordeuropa und Italien. Am Meer lebten arme Fischer, im Hinterland arme Bauern. Kein Wunder, dass sich aus der tiefen Vergangenheit nur wenige architektonische Glanzlichter in die Neuzeit gerettet haben. Natürlich gibt es die Spuren der Römerzeit in Fréjus und das Siegesdenkmal von Kaiser Augustus in La Turbie hoch über Monaco. Die Grafschaft Nizza, erst seit 1860 französisch, war im 17. Jh. fruchtbarer Boden für die Baumeister und Künstler der Barockzeit. Die lang vergessenen Felsendörfer im Hinterland haben ihr mittelalterliches Ensemblebild bewahrt. Die Landflucht vor 100 Jahren hat Dörfer wie Ste-Croix, Grimaud und Bormes-les-Mimosas zwar ausgeblutet, aber die Bausubstanz nicht angegriffen. Es gibt keine hässlichen Neubauten mitten auf dem Kirchplatz, keine Bankfilialen von der Stange. Wer Saorge im Roya-Tal oder La Garde-Freinet im Massif des Maures aus dem Dornröschenschlaf erweckte, hatte Geld – und Geschmack. Villages wie Villecroze sind liebevoll restauriert, alte wie neue Bewohner dekorieren mit Blumen und einfachen Mitteln Plätze und Brunnen, schaffen eine Idylle, die von Ruhe geprägt ist.
Die Côte d’Azur – ein Kind der modernen Freizeitgesellschaft
Wahrzeichen der ersten Schickeria-Welle: Villa Ephrussi auf Cap Ferrat
Aber die Côte d’Azur, die ihren Namen erst 1887 von Stephen Liégeard, einem Unterpräfekten mit literarischer Ader, bekommen hat, ist und bleibt ein Kind der modernen Freizeitgesellschaft. Es zählt nur das Heute, Hier und Jetzt. Blaues Meer, klarer Himmel und vor allem Sonne – viel Sonne. Reisende aus England entdeckten Mitte des 19. Jhs. das milde Klima für sich. Hyères, Nizza und Cannes waren die ersten internationalen Fremdenverkehrsorte überhaupt. Die europäische Aristokratie flüchtete aus dem kalten, tristen Winter in den Süden, nutzte die Côte d’Azur als Spielwiese für ihre verrücktesten Träume und hatte großen Anteil daran, dass sich die Region in einen kunstvollen Garten Eden verwandelte. Die Einheimischen schüttelten noch den Kopf, als der Pariser Botaniker Gustave Thuret 1857 auf dem Cap d’Antibes Palmen, Kakteen, Zypressen und Eukalyptusbäume züchtete. Die exotischen Bäume, wie die aus Australien importierten Mimosenbäume mit ihrer sattgelben Blütenpracht im Spätwinter, gehören heute ebenso zur Côte d’Azur wie das blaue Meer, die tiefgrünen Aleppokiefern und die strahlend gelben Zitronen von Menton.
Eine Spielwiese für die verrücktesten Träume der Aristokratie
Die verschwenderische Pracht der Flora hat ihr Pendant in der Architektur. Die kosmopolitische Schickeria baute ihre Paläste ohne Rücksicht auf historisch gewachsene Stadtbilder. Das vom Pariser Opernbauer Charles Garnier entworfene Spielkasino von Monte-Carlo, die gigantischen Fassaden der Luxushotels Negresco in Nizza oder Carlton in Cannes, die Villa der Baronin Ephrussi de Rothschild auf Cap Ferrat, der Nachbau der antiken griechischen Villa Kérylos in Beaulieu oder das schlichte Bauhaus-Gebäude der Familie de Noailles in Hyères sind Beispiele für die neuen Wahrzeichen.
Das Markenzeichen Côte d’Azur ist in der Belle Epoque zu Beginn des 20. Jhs. entstanden – im Winter. Heute scheint es unglaublich, dass erst 1931 einige mutige Hoteliers ihre Häuser ausgerechnet in der Jahreszeit öffneten, die den alten Aristokraten zu heiß geworden war. Heute lebt die Côte d’Azur vom Sommertourismus. Im Juli und August herrscht Ausnahmezustand. Alles ist überfüllt: die Straßen, die Hotels,
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