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Taqwacore

Taqwacore

Titel: Taqwacore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Muhammad Knight
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über das, was er eben getan hatte, um es zu bemerken. Das Kunststück, das in Skaterkreisen ein Railslide oder Boardslide genannt wird, verlangt eine beinahe übernatürliche Kontrolle des Gleichgewichts. Ich wünschte, diese Angeberkids wären dageblieben und hätten das gesehen.
    Fasiq und ich rannten zu ihm hinüber, als hätte er gerade die World Series gewonnen. Jehangir saß nur da, mit einem erschöpften und ungläubigen Lächeln, und starrte auf sein umgekipptes Skateboard, als suche er nach einer Bestätigung für ihr gemeinsames Erlebnis.
    »Bist du okay?«, fragte Fasiq mit einem ekstatischen Gicksen in der Stimme und griff nach Jehangirs Handgelenk, um seine Handflächen zu inspizieren.
    »Alhamdulillah«, antwortete Jehangir.
    »Das war Irrsinn«, sagte ich, als wir ihm aufhalfen.
    »Es war krass«, sagte Jehangir. »Das Geländer war so lang, dass ich irgendwann gar nicht mehr nervös war. Ich dachte, Scheiße, jetzt bin ich schon so lange hier oben, wann falle ich wohl runter?«
    Wir drängten uns um meine Kamera, starrten auf das kleine Display und spulten immer wieder zurück.
    »Ich fass es nicht, dass du nicht auf die Fresse gefallen bist«, sagte Fasiq.
    »Ich glaube, mir reicht’s für heute«, antwortete Jehangir. »Jetzt noch irgendwas anderes zu versuchen, hieße praktisch, Allah um Paralyse zu bitten.«
    »Du solltest den Scheiß einsenden«, sagte Fasiq. »Für ein Skateboard-Video.« Wir warfen die Skateboards, den Ghettoblaster und den Camcorder auf den Rücksitz. Diesmal saß Fasiq hinten und ließ mich nach vorne. Als Jehangir sich hinter das Steuer setzte, sagte er, er würde am ganzen Körper zittern und hielt seine rechte Hand hoch, um es zu beweisen. Ich bot ihm an zu fahren, aber er drehte nur den Zündschlüssel um.
    Während Fasiq und ich begeistert schwärmten wie ein paar zwölfjährige Groupies bei Total Request Live , hielt Jehangir seinen Blick auf die Straße gerichtet und reagierte auf unsere Lobpreisungen mit einem flüchtigem Lächeln und fast geflüsterten Maschallahs . Solltet ihr jemals daran zweifeln, dass er Muslim ist, dann erinnert euch bitte daran.
    Jehangir Tabari war ein Säufer und ein Punk und es war ihm immer egal, was die Hanafiten, Hanbaliten, Malikiten oder Schafiiten ihm vorschrieben, aber er war aufrichtig und Allah verlieh ihm Demut.
    Als wir zurückkamen, wartete Amazing Ayyub auf der Veranda. Er trug kein T -Shirt. Anstatt hineinzurennen, um »Hey Little Rich Boy« von Sham 69 aufzulegen, saß er nur da, mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.
    »Hey!«, rief ich und kletterte mit dem Camcorder aus dem Auto. »Du musst dir ansehen, was Jehangir gemacht hat …«
    »Ich habe einen Job«, sagte Ayyub.
    »Kein Scheiß?«, entgegnete Jehangir. »Wo denn?«
    »Tankstelle.«
    »Was tust du da?«
    »Benzin einfüllen.«
    »Das ist super«, rief Fasiq dazwischen.
    »Ja«, sagte Amazing Ayyub. »Ich trage meinen Teil zur Gesellschaft bei und all den Scheiß.«
    »Dann wirst du von unserem Sofa verschwinden?«, fragte Jehangir mit einem freundlichen Lächeln.
    » FUCK !«, schrie Ayyub und stieß mit seinem Finger in Fasiqs Richtung. »Was ist mit dem Scheißtyp?«
    »Ich beteilige mich an den Lebensmitteln«, konterte Fasiq.
    »Ja, indem du scheiß Dope verkaufst«, entgegnete Ayyub.
    »Ja, an dich.«
    »Scheiße, siehst du? Das Geld, das er für Lebensmittel beisteuert, kriegt er von mir!« Dann sah er mich an. »Stimmt’s, du Spießer?«
    »Ist was dran«, antwortete ich lächelnd.
    »Was sagt Umar dazu?«, fragte Jehangir. »Weiß er, dass sein Halal-Fleisch mit Gras finanziert wird?«
    »Glaub schon«, antwortete Ayyub und blickte zu Boden. »Also, was hast du heute dabei?«, fragte er und wandte sich Fasiq zu.
    »Ich weiß nicht, ob ich das zulassen kann«, antwortete Fasiq, »du gehörst jetzt zur arbeitenden Bevölkerung …«
    »Scheiß drauf, ich fang erst nächste Woche an.« Also gingen die beiden hinein und nach oben, höchstwahrscheinlich, um aus dem Badezimmer aufs Dach zu klettern und was zu rauchen.
    Mit dem Camcorder auf dem Schoß saß ich auf der Verandatreppe, wo vor einigen Minuten noch Amazing Ayyub gesessen hatte. Ich sah mir Jehangirs unvergänglichen Boardslide noch einmal an, dann schaute ich hoch und sah den echten Jehangir, der auf dem Bürgersteig vor mir auf und ab ging, er war ganz entspannt, wusste aber immer noch nicht, was er mit sich anfangen sollte. Er sah beinahe so aus, als ginge ihm etwas im Kopf herum, was er

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