Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
ein Kalkskelett, wodurch sie am Aufbau von Riffen beteiligt sind. Bei Millepora treten peitschenförmige Fangpolypen und zentral stehende Fresspolypen auf, die eine funktionale Einheit bilden (Polymorphismus von Modulen; kleines Bild). d Unitare Organismen: Seeanemonen (Actinaria) wachsen meist als solitäre Polypen. Dabei bilden auch sie oft Kolonien. Die einzelnen Polypen können dabei aus der Ansiedlung einer Larve (Planula) oder durch Querteilung entstanden sein. Im ersteren Fall wären sie unitar, im zweiten modular. Wie sie tatsächlich gebildet wurden kann, durch molekulare Analysen geklärt werden. (Fotos von Stefan Scheu, Göttingen.)
Selbst wenn für viele Organismen nicht der Raum an sich eine limitierende Ressource darstellt, so sind es häufig bestimmte Raumattribute , die essentiell notwendig oder im Mangel vorhanden sein können. Viele Organismen benötigen Brut- oder Nistplätze, die besondere Eigenschaften haben müssen, damit eine erfolgreiche Reproduktion erfolgen kann. Für in Höhlen brütende Vögel sind alte Bäume mit Asthöhlen notwendig, Einsiedlerkrebse benötigen Schneckenschalen, die sie im Laufe ihrer Entwicklung wechseln müssen, um heranwachsen zu können. Viele Arten hängen von der Struktur des Lebensraumes ab, die wesentlich durch andere Arten gebildet werden kann. Netzbauende Spinnen benötigen Strukturelemente, um ihre Netze bauen zu können. Diese Strukturelemente werden durch Pflanzen (Grashalme, Baumäste) zur Verfügung gestellt. Tatsächlich limitiert die Verfügbarkeit struktureller Elemente in terrestrischen Lebensräumen das Vorkommen von netzbauenden Spinnen meist stärker als z. B. die Verfügbarkeit von Beute. Nur durch die Bereitstellung physikalischer Strukturen verändern Organismen damit die Lebensgrundlage anderer Arten. Epizoische oder epiphytische Arten sind oft obligat an diese spezifischen Strukturelemente des Lebensraums gebunden.
Ein entscheidender Vorteil modularer Organismen ist, dass sie wachsen können, ohne dass sich das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen des Körpers verkleinert (ersteres wächst in der zweiten, letzteres in der dritten Potenz). Damit existieren prinzipiell keine Grenzen somatischen Wachstums. Tatsächlich werden modulare Organismen riesig . Pappelklone oder Adlerfarnbestände können Flächen von mehreren Hektar einnehmen, Kolonien von Steinkorallen können riesige Blöcke bilden. Durch unbegrenztes Wachstum können modulare Organismen zudem extrem alt werden. Von Adlerfarn existieren vermutlich Bestände, die über 10 000 Jahre alt sind, von Steinkorallen sind Kolonien von einem Alter über 30 000 Jahre dokumentiert. Eine wichtige Eigenschaft von modularen Organismen ist außerdem, dass die von der Mutterkolonie abgegliederten Module zu eigenständigem Leben übergehen und selbst wiederum als Quelle neuer Module fungieren können. Da Module klonal gebildet werden und damit mit dem Mutterorganismus genetisch identisch sind, sind sie Teil eines einzigen genetischen Individuums, das auch als Genet bezeichnet wird. Ein Genet ist damit die Gesamtheit somatischer Bildungen, die auf eine Zygote zurückgehen („von Zygote zu Zygote“). Modulare Organismen bestehen damit aus zwei unterschiedlichen Typen von Individuen: den morphologischen Untereinheiten, die mit der Mutterkolonie verbunden, aber auch von ihr losgelöst existieren können (Module oder Ramets), und dem genetischen Individuum, das aus allen Zellen und Modulen besteht, die aus einer Zygote hervorgegangen sind (Genet).
Bei unitaren Organismen ist das somatische Wachstum notwendigerweise beschränkt, da bei zunehmendem Wachstum die Versorgung des Körperinneren über die relativ kleiner werdende Oberfläche immer schwieriger wird. Bei Annäherung an diese Wachstumsgrenzen werden Ressourcen deshalb nicht mehr in somatisches Wachstum, sondern in Reproduktion investiert. Vor dem Übergang zur reproduktiven Phase muss die Geschlechtsreife einsetzen. Tatsächlich werden unitare Organismen bei nachlassendem somatischem Wachstum geschlechtsreif; durch das reduzierte somatische Wachstum wird also die Keimbahn aktiviert. Im Gegensatz zu modularen Organismen ist sexuelle Reproduktion bei unitaren Organismen damit obligatorisch und mit hohen Investitionen gekoppelt. Dadurch, dass bei unitaren Organismen das somatische Wachstum zum Stillstand kommt, sind diese Organismen im Vergleich zu modularen meist kurzlebiger. Insgesamt ist der Lebenszyklus von unitaren Organismen wesentlich
Weitere Kostenlose Bücher