Tatort Mosel
mit dieser Aufgabe betrauen.« Stiermanns Ton wurde freundlicher. »Es ist eine etwas delikate Angelegenheit. Es geht um den verschwundenen Herrn Räumer, Sie wissen?«
»Nein.« Walde schälte die Banane.
»Da läuft schon seit Tagen eine Vermisstenmeldung. Es geht um den Räumer, Inhaber des gleichnamigen Möbelhauses, Chef des Aktivkreises und und und.«
»Ist er tot?« Walde biss die Spitze der Banane ab.
»Nein, das heißt, ich weiß es nicht.« Stiermann zögerte. »Das ist kein gewöhnlicher Fall. Herr Räumer bekleidet eine äußerst exponierte Stellung, hat sich sehr um unsere Stadt verdient gemacht.«
Walde biss ein großes Stück ab.
»Herr Bock?«
»Mhm«, versuchte es Walde mit vollem Mund.
»Tun Sie mir den Gefallen und sprechen Sie mit seiner Frau.«
»Mit wem?«, fragte Walde.
»Ich habe Sie nicht verstanden.«
Walde schluckte und wiederholte seine Frage.
»Frau Räumer, sie wird noch im Geschäft sein, in der Brotstraße. Sie ist sehr besorgt. Kann ich auf Sie zählen?«
Walde seufzte.
»Halten Sie mich auf dem Laufenden, frohe Ostern, see you.«
Walde stand da, in der Linken den Hörer, in der Rechten die halb gegessene Banane. Er schaute zum Fenster hinaus auf die Spitzen der Weide, deren zartes Grün sich im Wind bog. Was wäre, wenn irgend ein X-beliebiger Mann vermisst würde? Wer schaffte es schon, wegen einer Vermisstenanzeige zum Präsidenten vorgelassen zu werden? Bei sogenannten Promis wurde gleich die Mordkommission auf Trab gebracht. Waldes Freundin Doris hatte früher für Räumer gearbeitet. Sie hatte ihm von dessen nicht immer legalen Geschäften einiges erzählt.
Gedankenverloren biss er in die Banane. Zu spät merkte er, dass er den Hörer zwischen den Zähnen hielt.
*
Walde kaufte sich bei Calchera ein Schokoladeneis. Er schob sein Rad durch die belebte Simeonstraße. Übermorgen, am Karsamstag, würde hier kaum ein Durchkommen sein. Am Hauptmarkt waren die Straßencafés bereits gut besucht. Auch vor Ulis Kneipe war kein Stuhl mehr frei.
Walde hatte sich telefonisch im Präsidium über die Sache Räumer kundig gemacht. Außer dass er seit sechs Tagen mitsamt seinem schwarzen Jaguar verschwunden war, hatte er nichts in Erfahrung bringen können.
An der Konstantinstraße kettete Walde sein Rad an den Gitterzaun einer verwaisten Baustelle. Im Schaufenster des Möbelhauses Räumer prüfte er, ob das Eis Spuren in seinem Gesicht hinterlassen hatte.
Walde betrat den Laden. In dem weitläufigen Raum glaubte er, allein zu sein. Hinter der Tür befand sich eine Accessoireabteilung mit den verschiedensten Dekorationen für Festtafeln. Sein Blick fiel auf einen silbernen Kerzenleuchter. Er blieb stehen und drehte das herabbaumelnde Preisschild um.
Er pfiff schockiert, es musste sich bei dem Stück um echtes Silber handeln. Jetzt erblickte er eine Verkäuferin hinter einem Kassentisch, wo sie etwas für eine Kundin einpackte. Walde steuerte auf sie zu.
»Wo kann ich Frau Räumer finden?«
»Moment bitte.« Die Frau schlug ein Band um eine Ecke des Päckchens. »In welcher Angelegenheit?« Jetzt griff sie nach einer Schere.
»Es ist privat.« Walde verfolgte ihre Bewegungen. Dann fügte er an: »Meine Name ist Bock, Frau Räumer erwartet mich.«
»Zahlen Sie bar oder mit Karte?«
Die Kundin zog eine Plastikkarte aus ihrem Portemonnaie. Walde überlegte, ob er hier nach einer Osterüberraschung für Doris suchen sollte.
Die Verkäuferin telefonierte inzwischen. Kurz darauf kam eine kleine, dunkel gekleidete Frau aus dem hinteren Teil des Geschäftes. Sie lächelte Walde freundlich an.
»Herr Bock?«
Walde nickte.
»Räumer.« Sie schüttelte ihm die Hand. »Kommen Sie bitte ins Büro.«
Sie führte ihn eine Treppe höher, durch eine große Sitzmöbelabteilung, wo weit mehr Kundenandrang als im Parterre herrschte. Von dort gingen sie in einen langen Gang, von dem links und rechts Glastüren in kleine erleuchtete Büros führten.
Der Raum, den sie betraten, unterschied sich in Größe und Ausleuchtung nicht von den anderen, die Walde im Vorbeigehen gesehen hatte. Anstelle eines zweiten Schreibtisches gab es hier eine Sitzgruppe, in der Frau Räumer ihm einen Platz anbot. Walde ließ sich eine Tasse Kaffee einschenken.
»Vielen Dank, dass Sie es einrichten konnten«, eröffnete sie das Gespräch. »Ich mache mir große Sorgen um meinen Mann.«
»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Frau Räumer, könnte es vielleicht sein, dass Ihr Mann eine Auszeit genommen
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