Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
Stimmung aufzuhellen. Ich hatte noch den ganzen Tag vor mir und wollte das Gespräch nicht zu ernst werden lassen. Zehn Uhr morgens war zu früh, um auf die Tränendrüsen zu drücken.
Bobby hob die Mundwinkel, konnte aber kein Lachen rausbringen. Es war ein ernstes Thema, und so schnell konnte er nicht umschalten. Ich fasste mich kurz: »Ja, Darmkrebs. Soviel ich weiß, ist nichts mehr zu machen. Noch eine Operation würde er nicht überleben.«
»Scheiße«, beschrieb Bobby die Situation treffend und starrte ins Leere. Wie die Schwachköpfe nickten wir grundlos vor uns hin.
»Komisches Gefühl, wieder hier zu sein?«, fragte Bobby.
»Irgendwie ja, aber ich kann’s noch gar nicht richtig glauben. Nichts hat sich verändert, und doch hat sich alles verändert.«
»Wie lang ist es her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?«
Ich musste kurz überlegen. »Mindest fünf Jahre. Bei deiner Hochzeit?«
»Ja. Das hat auch nicht gehalten. Aber geile Party.«
»Ja, soweit ich mich noch erinnern kann.«
»Warum sind wir nicht in Verbindung geblieben?« Bobby klang nicht gekränkt, einfach nur neugierig.
»Tut mir leid, Mann. Man wird so von seinem eigenen Kram in Anspruch genommen. Schwierig genug, sein aktuelles Leben in Ordnung zu halten. Aber du hast recht, ich hätte öfter anrufen sollen.«
»Du hättest? Nein, Unsinn. Ich weiß auch, wie man ein Telefon benutzt. Es liegt auch an mir. Ich meine ja nur, wäre ganz nett gewesen, mal ab und zu was von dir zu hören. Aber was für einen Mist rede ich da bloß? Du wohnst in der Großstadt, hast viel zu tun, hast jede Menge Spaß. Und ich wohne hier, und hier ist es stinklangweilig. Ich habe dich vermisst, du Arsch.«
»Ja, ich dich auch«, sagte ich und fragte mich, warum ich nicht angerufen hatte.
Ich hatte nicht viele Freunde wie Bobby. Obwohl ich ihn jahrelang nicht gesehen hatte und ihn nicht wirklich als Erwachsenen kannte, wusste ich doch, dass manches sich nie änderte. Ich wusste, dass ich Bobby bedingungslos vertraute. Ich wusste, dass es für unsere Freundschaft nicht notwendig war, dass wir uns ständig sahen. Und ich wusste, dass unser gegenseitiges Vertrauen tief verwurzelt war, das Ergebnis jugendlicher Gewalt und Geheimnisse.
»Möchtest du was, Bobby?«, rief Ma’am von der Kasse herüber.
»Nur mal mit dir die Stadt unsicher machen, Süße«, brüllte Bobby zurück.
»Sobald mein Alter den Löffel abgibt, komm ich drauf zurück«, sagte sie lachend.
»Gut, bis dahin gebe ich mich mit Kaffee und einem Denver-Omelette zufrieden. Danke, Schatz.« Bobby warf ihr einen Kuss zu.
Bobby wandte sich mir zu. »Hey, wie heißt diese Bedienung eigentlich? Ich kann mich nie dran erinnern. Ich nenne sie immer nur ›Süße‹ oder ›Schatz‹ oder ›Sexbombe‹ oder so.«
»Ich glaube, die hat gar keinen Namen.«
Bobby zog eine Augenbraue hoch, aber fragte nicht weiter. »Wann fährst du wieder zurück nach … Ich weiß nicht mal, wo du wohnst. Wann fährst du wieder zurück?«
»Gar nicht, ich bin erst mal hier … im Haus … eine Zeit lang, bis … eine Zeit lang. Solange wie nötig. Ich bin wieder da.«
Bobby schlug mit beiden Händen so kräftig auf den Tisch, dass mein Kaffee überschwappte. »Verdammt, Jimmy Veeder ist wieder da!«, rief er, worauf die meisten Leute im J & M zu uns rübersahen.
Bobby und ich quatschten noch eine halbe Stunde. Über Bobby hatte Pop mich auf dem Laufenden gehalten, meine Quelle für alle Neuigkeiten aus dem Imperial Valley. Ich hatte von seiner Scheidung gehört, wusste aber nicht, ob sie gut oder schlecht gelaufen war, deshalb schnitt ich das Thema nicht an. Wir blieben bei unverfänglichen Themen. Wir redeten über Filme. Wir hatten den gleichen Geschmack. Musik. Es gab einiges, das wir beide mochten. Und Bücher, ein ganz neues Thema. Früher hatte Bobby nicht viel gelesen, aber mit seinen eigenen Worten: »Eines Tages hab ich mich so gelangweilt, dass ich zu einem Buch gegriffen habe. Ich greife immer noch zu Büchern, so sehr langweile ich mich.«
Als Bobby wegen zu wenig Schlaf und zu viel Alkohol kaum noch die Augen offen halten konnte, machten wir aus, unser Gespräch ein andermal fortzuführen. Wir tauschten unsere Handynummern aus und machten aus, uns auf ein Bier oder auch mehrere zu treffen.
Ich zahlte, winkte Ma’am zu und ging in die morgendliche Hitze hinaus. Als ich nach El Centro fuhr, um Pop zu besuchen, verbrannte ich mir an Steuer und Schaltknüppel die Hände.
Drei
Auf
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