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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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wütenden Frauenstimme begrüßt.
    »Wo zum Teufel hast du gesteckt?«
    Ich sah auf. Hinter dem Empfangstresen saß Angela Torres in einem lavendelfarbenen Krankenhauskittel und versuchte, mich mit Blicken zu töten. Ihr Gesichtsausdruck war hart wie eine geballte Faust, ihre Augen waren zu Schlitzen verengt, Furchen gruben sich in ihre Stirn. Sie sah sauer aus. Sie sah wunderschön aus.
    »Angie?« Ich hätte Pop niemals zugetraut, mich so in die Pfanne zu hauen. Aber hätte ich’s nicht besser gewusst, hätte ich gedacht, er hätte die Begegnung eingefädelt. »Hey, wie geht’s dir?«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagte sie fordernd. »Dein Vater ist schon seit Wochen hier und du lässt dich jetzt erst blicken?«
    »Ich wusste gar nicht, dass du hier arbeitest.« Dann fiel mir ihre Frage wieder ein. »Er hat mir erst vor ein paar Tagen erzählt, dass er krank ist.«
    »Ja, warum auch? Du bist ja nur sein einziger Sohn.«
    »Ich hatte echt keine Ahnung. Du kannst ihn fragen! Ich bin sofort gekommen, als ich es erfahren habe.«
    »Na gut, dann geh schon zu ihm«, sagte Angie und tat so, als würde sie ein Blatt Papier studieren, das sie sich wahllos gegriffen hatte.
    »Ich freu mich, dich zu sehen. Du siehst toll aus.«
    Und das stimmte, selbst im Krankenhauskittel und mit einem Haarknoten, aus dem die Strähnen heraushingen. In den zwölf Jahren, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie sogar noch schöner geworden. Kaum einen Meter fünfzig groß und mit Kurven an den richtigen Stellen, zog Angie reichlich Blicke auf sich. Aber es war ihr Gesicht, in das man sich sofort verliebte. Mit ihren großen, braunen Augen, den vollen Lippen und der samtigen, braunen Haut hatte Angie ein Gesicht, bei dem Männer sich vergessen konnten.
    »Wir haben seit mehr als zehn Jahren kein Wort mehr miteinander geredet, Jimmy. Das ist eine ziemlich lange Zeit. Schön, dich zu sehen, klar. Aber die dicksten Freunde sind wir ja wohl nicht mehr, oder?«
    »Na gut, Angie. Aber falls du wütend auf jemanden bist … Der Jemand bin ich nicht mehr.«
    Mit erhobenem Finger bedeutete sie mir, still zu sein. Sie gab weiter vor zu lesen. Dann sagte sie: »Ich bin nicht wütend, Jimmy. Ich mach mir einfach gar keine Gedanken darüber.«
    »Aber ich habe an dich gedacht«, sagte ich.
    Angie starrte mich an und biss sich auf die Wange. Sie überlegte sicher, ob sie mir eine reinhauen sollte oder nicht. In der Highschool hatte sie gern mal zugelangt.
    Sie entließ mich mit den Worten: »Geh deinen Vater besuchen. Zimmer achtzehn, am Ende des Gangs.«
    Ich tat ein paar Schritte den Gang entlang und drehte mich dann noch einmal um.
    »Sag jetzt bloß nichts«, warnte sie. »Wenn du wirklich an mich gedacht hast, hat’s für einen Anruf aber trotzdem nicht gereicht. Es ist total egal, was du gefühlt oder gedacht hast. Es geht darum, was du getan hast. Oder eben nicht.«
    »Ich weiß, aber ich sag’s trotzdem. Es tut mir leid. Ich werde dir nicht mit irgendwelchen Ausreden kommen, damit du nicht noch saurer wirst. Aber es tut mir leid, Angie, wirklich. Das ist alles. Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst.«
    »Gut«, sagte sie, »denn das wird nicht passieren.«
    Ich ging langsam den Gang entlang und fühlte mich, als hätte ich einen Schlag in die Magengrube bekommen. Die Vergangenheit konnte überall auf der Lauer liegen und plötzlich zuschlagen. Aber trotz unserer Zwistigkeiten hatte die Begegnung mit Angie viele schöne Erinnerungen zurückgebracht. Auch wenn sie mich hasste, musste ich bei dem Gedanken an das unverhoffte Wiedersehen doch lächeln.
    Genesungsheime sind wie Krankenhäuser von einem Gemisch verschiedenster Gerüche geprägt. Unter dem vorherrschenden Cocktail von Urin und Desinfektionsmittel kann man das angenehme Latexaroma von Pflastern, Schweißdunst, so etwas Ähnliches wie Tapioka und einen muffigen Schimmelgeruch wahrnehmen, den man in einem so trockenen Klima nicht erwarten würde. Es roch, als hätte jemand eine seit drei Monaten tote Katze shampooniert.
    Als ich Zimmer achtzehn gefunden hatte, atmete ich tief durch, setzte ein breites, dummes Grinsen auf, klopfte leise an die Tür und öffnete sie.
    »Wo sind die Stripteasetänzerinnen? Wenn ich gewusst hätte, dass keine Stripteasetänzerinnen da sind, wäre ich nicht gekommen«, rief ich.
    Pop wandte mir seinen hoch gelagerten Kopf zu. Sein Lächeln war kaum wahrzunehmen, aber seine Augen strahlten. Er hatte so stark abgenommen, dass sich

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