Tausend und eine Nacht, Band 4
der Falltüre, rief den Namen Gottes an, und siehe da, die Türe öffnete sich von selbst. Dann sagte Hakem: »Steige jetzt hinunter und hole heraus, was darin ist, denn dies kann nur durch dich geschehen; dieser Schatz ist für dich hier niedergelegt worden, ich habe es so in meinen Büchern geschrieben gefunden und den Augenblick erwartet, bis es eintraf.« Ich stieg hinunter und holte den Schatz herauf; Hakem ließ Lasttiere kommen, um ihn in sein Schloß zu bringen; mir aber ließ er den Korb mit allem, was darin war, und ich ging damit auf den Bazar, der später unter dem Namen Wardans-Bazar bekannt wurde. Das ist ein sonderbares und höchst merkwürdiges Ereignis.
Das Liebespaar in der Schule.
Man erzählt auch: Ein Jüngling war mit einer jungen Sklavin in der Schule und liebte sie so leidenschaftlich, daß er sich alle Mühe gab, sich ihr zu nähern. Eines Tages, als der Lehrer kein Auge auf seine Schüler hatte, schrieb er auf die Tafel der Sklavin folgende Verse:
»Was sagst du dem, den die Liebe so ausgetrocknet, wie ein dünnes Rohr? Dessen Schmerz so heftig ist, daß er seine Liebe nicht länger mehr in seinem Herzen verbergen kann?«
Als die Sklavin ihre Tafel wieder nahm und des Jünglings Verse darauf fand, weinte sie vor Mitleid über ihn und schrieb folgende Antwort:
»Sehen wir einen Jüngling, in dem die Liebesflamme glüht, so sind wir ihm von Herzen gut und sagen ihm, daß seine Liebe erwidert wird und viele Freuden bringen kann.«
Als sie diese Verse geschrieben hatte, trat der Lehrer wieder ins Zimmer und nahm plötzlich ihre Tafel, und als er gelesen hatte, was darauf stand, bemitleidete er die Liebenden und schrieb noch folgende Verse hinzu:
»Erhöre deinen Geliebten, fürchte niemanden, habe Mitleid mit dem von Liebesgram Gepeinigten.«
Nun trat zufällig der Eigentümer der Sklavin in die Schule, und nahm die Tafel seiner Sklavin und las, was darauf geschrieben stand von der Hand des Jünglings, der Sklavin und des Lehrers; da schrieb auch er folgende Verse hinzu:
»Möge Gott euch nie trennen und eure Verleumder stets beschämen, auch eueren Lehrer segne ich, weil er so nachsichtsvoll und teilnehmend war.«
Sodann ließ der Eigentümer der Sklavin den Kadhi und Zeugen rufen und den Ehekontrakt zwischen dem Jüngling und der Sklavin schreiben; er ließ auch eine große Mahlzeit bereiten und überhäufte sie mit Geschenken, und sie lebten miteinander in Glück und Wohlstand, bis der jeder Lust ein Ende machende Tod sie trennte.
Der Eseltreiber und der Dieb.
Ein leichtsinniger Eseltreiber ging einst auf der Straße und hatte den Zaum seines Esels in der Hand, den er daran nachschleppte. Zwei Diebe bemerkten dies, und einer sagte zum anderen: »Ich will diesem Mann seinen Esel entwenden.« – »Wie kannst du dies?« fragte der andere. »Folge mir nur«, erwiderte jener und ging auf den Esel zu, nahm ihm den Zaum ab, gab den Esel seinem Freund und legte den Zaum um seinen Kopf, und ging dem Eigentümer des Esels solange nach, bis sein Freund mit dem Esel fort war. Sobald er den Esel in Sicherheit wußte, blieb er stehen; der Eseltreiber zog am Zaum, aber der Dieb ging nicht weiter. Da drehte sich der Eseltreiber um, und als er den Zaum um den Kopf eines Menschen sah, fragte er ihn: »Wer bist du?« Der Dieb antwortete: »Ich bin dein Esel und habe dir eine wunderbare Geschichte zu erzählen. Wisse, ich hatte eine sehr fromme, alte Mutter; einst kam ich betrunken nach Hause, da sagte sie: Mein Sohn, es ist bald Zeit, daß du dich zu Gott bekehrest; ich nahm meinen Stock und schlug sie damit; sie verfluchte mich, und Gott verwandelte mich in einen Esel, und als solcher diene ich dir die ganze Zeit her. Heute hat nun aber meine Mutter meiner gedacht und mich bemitleidet; darum hat mir Gott meinen Verstand wiedergegeben und mir wieder die Gestalt eines Menschen verliehen.« Da sagte der Eseltreiber: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen; ich beschwöre dich bei Gott, erlasse mir meine Schuld!« Der Dieb ließ den Eseltreiber stehen und ging seines Weges, und der Bestohlene ging tief betrübt nach Hause. Da fragte ihn seine Frau: »Was ist dir zugestoßen und wo ist dein Esel?« Er antwortete: »Weißt du es noch nicht?« und erzählte ihr die Geschichte. »Wehe uns vor Gott!« rief die Frau aus; »so haben wir die ganze Zeit einen Menschen für einen Esel arbeiten lassen.« Sie flehte dann Gott um Gnade an und teilte Almosen aus. Nachdem
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