Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
nie aufgefallen, wie einsam sie gewesen war.
Sie fuhr langsamer, als sie an die Zufahrt zu Belle Meade kam. Der Unfallort war aufgeräumt und die Straße wieder freigegeben worden, aber am Straßenrand und im Gras auf dem Mittelstreifen glitzerten immer noch Scherben in der Sonne. Autos flitzten sorglos über die Kreuzung, sich der vier Menschenleben, die an diesem Ort genommen worden waren, nicht bewusst. Das Zittern einer Vorahnung durchlief Taylor, und sie schloss das Fenster, schob die Schuld auf die kühle Brise, die vom grauen Himmel wehte. Sie bog links ab und fuhr den ruhigen, eleganten Boulevard entlang.
Sie ignorierte die Seitenstraße, die zu dem Haus führte, in dem sie aufgewachsen war.
Vor ihr tauchte die Auffahrt zum Anwesen von Quinn Buckley auf. Sie bog ab und stieß auf ein schwarzes, schmiedeeisernes Tor. Auf Fensterhöhe war ein kleiner Kasten angebracht. Sie öffnete das Fenster und steckte ihren Kopf hinaus.
“Taylor Jackson für Mrs. Buckley, bitte.”
Anstatt einer verbalen Antwort schwangen die massiven Torflügel langsam auf. Als Taylor mit dem Auto hindurchfuhr, wurde sie von einem sommergrünen Wald verschluckt, der ihr in der Brise abschreckend zuzuwinken schien. Der Weg schlängelte sich ein paar Hundert Meter durch diesen Wald. Als sie um eine Kurve bog, kam die Villa in Sicht. Das weiße, im Plantagenstil erbaute Haus hatte zwei Etagen und massive Säulen, die eine elegante Terrasse umschlossen. Vier steinerne Kamine reckten sich in den Himmel. Ein West- und ein Ostflügel grenzten an das Haupthaus, und Taylor sah eine separat stehende Garage, in der mindestens fünf Autos Platz hatten und die durch einen von Efeu überwachsenen Gang mit dem Ostflügel verbunden war. Die westliche Seite verlor sich im Wald. Dem Architekten war es gelungen, die natürliche Schönheit der Umgebung in seine Gestaltung zu übernehmen. Schwarze Fensterläden schienen bekümmert in die Sonne zu blinzeln, und die Luft schien hier schwerer zu sein, so als ob das ganze Anwesen selbst trauerte.
Taylor parkte vor einem Springbrunnen, der an die italienische Renaissance erinnerte. Ihr fiel auf, wie viel Pflege und Sorgfalt auf den vorderen Teil des Gartens verwandt worden waren. Der Ort roch förmlich nach Geld. Taylor zog an der Klingelschnur und ging wartend die Treppen auf und ab. Gerade als sie anfing, ungeduldig zu werden, schwangen die mit Ornamenten verzierten Doppeltüren auf, und Quinn Buckely erschien.
Taylor hatte Quinn schon länger nicht mehr gesehen. Hätte sie sich für die Klatschmagazine Nashvilles interessiert, dann hätte sie Quinn sofort wiedererkannt. Aber alles, was sie sah, war das Gesicht von Quinns Schwester. Taylor hatte Whitney Connollys Gesicht vor Augen, und sie musste leicht den Kopf schütteln, um festzustellen, dass sie es nicht war. Als sie die Treppen zur Eingangstür emporstieg und Quinn besser sehen konnte, waren die kleinen Unterschiede zwischen den beiden Frauen sofort ersichtlich. Quinn war nicht so kurvig wie Whitney, ihr Mund war zwar auch groß, aber die Lippen nicht so voll und schmollend. Taylor ertappte sich dabei, darüber nachzudenken, wie viele Schönheitsoperationen Whitney Connolly wohl im Laufe der Jahre gehabt hatte.
Quinn Buckley hatte das gute Aussehen ihrer Schwester, so viel stand fest. Aber während Whitney auf dem Fernsehschirm immer als ganz hübsch rübergekommen war, verströmte Quinn eine Aura von Klasse und Geld. In ihren tief auf den Hüften sitzenden Jeans und den legeren Cowboystiefeln kam Taylor sich ein wenig schäbig vor. Ihr fielen Quinns perfekte Strähnen auf, und instinktiv fasste sie sich an ihren eigenen blonden Pferdeschwanz. Dann riss sie sich zusammen, richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und ging mit energischen Schritten die letzten Stufen hinauf.
Quinn streckte ihr eine schmale, manikürte Hand entgegen, als Taylor auf der obersten Stufe angekommen war. “Lieutenant Jackson?”
Sogar ihre Stimme unterschied sich von Whitneys. Sie war sanfter, etwas höher, und sie hatte definitiv einen leichten Südstaateneinschlag. Wie zwei Frauen sich so ähnlich und doch so verschieden sein konnten, war erstaunlich.
Taylor nahm Quinns Hand und nickte. “Die bin ich. Wie geht es Ihnen, Mrs. Buckley? Ich glaube, wir haben uns seit einigen Jahren nicht mehr gesehen. Es tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen wiedertreffen. Ich war ein Fan Ihrer Schwester.”
Kurz huschte ein Schatten über Quinns Gesicht, dann lächelte
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