Taylor Jackson 03 - Judasmord
war, würden halten. Henry Anderson den Rücken zu kehren tat gut. Seitdem sie vor so vielen Jahren ihm gegenüber ein wenig übereifrig gewesen war und ihm in seine Weichteile hatte treten müssen, hatte sie leichte Schuldgefühle, weil sie ihn so stark verletzt hatte. Dieses Gefühl war jetzt weg.
„Tschüss, Henry.“
Als die Tür sich hinter ihr schloss, stieß sie den Atem aus, den sie unbewusst angehalten hatte. Sie ging zwei Türen weiter den Flur hinunter.
„Haben wir genug?“, fragte sie den Rest ihres Teams, das sich in dem Beobachtungszimmer/Druckerraum drängte und dem Verhör zugesehen hatte.
Baldwin antwortete. „Ja. Wie du schon gesagt hast, hat er offen zugegeben, deine Filme gesehen zu haben. Die Stimmabdrücke sollten ausreichen, du hast ja eine ganze Bandbreite von Emotionen eingefangen. Das wird der finale Beweis für das Video von dir und David Martin sein – die Stimme auf dem Band kann digital mit seiner verglichen werden. Vielleicht können wir ihm so noch einen Punkt mehr anhängen und einen weiteren Beweis dafür liefern, dass dein guter Name fälschlicherweise besudelt wurde.“
„Besudelt. Das Wort gefällt mir.“
Sie lächelten sich auf eine Weise an, dass Lincoln sich räusperte. „Um Himmels willen, nehmt euch ein Zimmer, ihr zwei.“
Das allgemeine Lachen löste ein wenig die Spannung. Taylor fühlte sich nach ihrem Treffen mit Anderson schmutzig. Er hatte schon immer die richtigen Dinge zu sagen gewusst, um ihr unter die Haut zu gehen. Das war auch der Grund, warum sie damals die Kontrolle verloren und ihm so hart in die Eier getreten hatte, dass die sich in die Bauchhöhle zurückgezogen hatten und chirurgisch wiederhergestellt werden mussten. Die Chancen, dass er ein Kindzeugte, waren extrem gering. Taylor rief sich schnell zur Ordnung, bevor sie wegen des Verlustes seines Sohnes Mitleid mit ihm empfand. Ihre Trauer war für das Baby reserviert, ein Kind, das niemals die Möglichkeit bekommen hatte zu leben, weil seine Eltern vollkommene Idioten waren.
Während sie gesprochen hatten, war Antonio Giormanni angeklagt worden, hatte aber einen Deal mit der Staatsanwaltschaft herausgeschlagen, weil er gegen Henry Anderson aussagen wollte. Todd Wolff, der immer noch Stein und Bein schwor, seine Frau nicht umgebracht zu haben, waren im Gegenzug für eine Aussage ebenfalls mildernde Umstände in Aussicht gestellt worden. Es würde ein langer, komplizierter Prozess werden, aber Taylor war zuversichtlich, dass der Staat Henry dieses Mal für immer wegsperren würde.
Als alle den Plan schmiedeten, noch auf einen Drink in Mulligan’s Pub an der 2nd Avenue einzukehren, wünschte sie, sie hätten noch das letzte fehlende Puzzleteil. Den direkten kausalen Nachweis für Corinnes Mörder. Früher oder später würden sie den noch bekommen, aber früher wäre ihr entschieden lieber.
Die Gruppe löste sich auf. Jeder hatte noch die eine oder andere Kleinigkeit zu erledigen, bevor sie für den heutigen Tag Schluss machen konnten. Ein auf mehreren Ebenen erfolgreich gelöster Fall. Taylor ordnete alle Papiere in ihrem Büro und beantwortete ein paar E-Mails. Sie sortierte die letzten Bilder in das Mordbuch ein: Corinne Wolffs Autopsiefotos und ein Bild von ihr und Todd an ihrem Hochzeitstag, das sie von dem Tischchen im Eingangsbereich des Hauses mitgenommen hatten. Der angrenzende Wald sah heute besonders grün aus, und Corinne wirkte wie eine Waldfee in Weiß. Was für eine unglaubliche Verschwendung.
Und das süße kleine Mädchen, Hayden. Ein Gedanke schoss Taylor durch den Kopf. Haydens blondes Haar, das sich so sehr von den dunklen Haaren ihrer Eltern unterschied. Was, wenn Anderson auch Haydens Vater war?
Das war eine kühne Vermutung, aber Taylor schrieb die Idee trotzdem auf einen Post-it und klebte diesen mit ins Mordbuch. Es war nicht wirklich wichtig, ob Anderson Haydens Vater war, aber es konnte mit dem zeitlichen Ablauf der Dinge weiterhelfen. Es gab unendlich viele Einzelheiten, die bedacht werden mussten. Bevor der Fall vor Gericht gehen konnte, war noch eine Menge Vorbereitungnötig. Heutzutage bot das juristische System keine Garantien mehr. Taylor seufzte schwer.
Ein sanftes Klopfen ließ sie aufschauen. Baldwin stand in der Tür, Lincoln direkt hinter ihm.
„Kommt rein“, sagte sie. „Ich bin fertig. Ich habe gerade nur noch ein paar Notizen zu den Akten gelegt, damit ich sie nicht vergesse. Jetzt könnte ich gut ein großes Guinness vertragen.“
„Damit
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