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Tekhnotma - Das wüste Land: Roman (German Edition)

Tekhnotma - Das wüste Land: Roman (German Edition)

Titel: Tekhnotma - Das wüste Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aleksei Bobl , Andrei Levitski
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bildeten sich zwei kleine Falten, eine kurze und eine lange. Er zappelte heftig, aber Turan hielt ihn fest am Schopf gepackt. Vor Wut liefen Mika Tränen übers Gesicht.
    »Vater sagt, dass die Wundheilerin eine neue Mixtur zusammengerührt hat, die Mutter helfen könnte. Wir bringen den Alten Lebensmittel und holen die Medizin dort ab. Wir brechen jetzt gleich auf. Was ist los? Ist es dir etwa egal, ob Mutter gesund wird?«
    »Bist du blöd? Natürlich nicht!« Mika war beleidigt. »Ich will da nur nicht hinfahren! Ich hab gestern Abend Fangschlingen aufge …«
    »Wir fahren mit dem Punch «, unterbrach ihn Turan.
    »Ich … Oho!« Vor Verwunderung verstummte Mika und stand mit offenem Mund da. Dann schüttelte er seinen verstrubbelten Kopf und fügte betrübt hinzu: »Nein, ich kann trotzdem nicht mit, ich muss was erledigen … Jetzt lass mich endlich los!«
    Aber Turan gab nicht nach, stattdessen verpasste er seinem Bruder eine Kopfnuss, damit dieser endlich zu zappeln aufhörte. Er zog Mikas Kopf nach links, rechts, nach vorne und nach hinten und besah sich dessen Haut. Ja, zwischen den Schlüsselbeinen und hinter den Ohren breitete sich ein Ausschlag aus. Aber wegen einer solchen Kleinigkeit extra zur Wundheilerin fahren?
    »Vater sagt, dass wir zusammen fahren müssen. Außerdem sollen wir vorher noch bei Mutter vorbeischauen.«
    Mika murmelte wütend etwas vor sich hin, aber Turan war das egal. Er öffnete die rückwärtige Tür ein Stück und zog seinen Bruder mit sich in den finsteren Korridor. Beide Jungen mochten diesen abgelegenen Flügel des Hauses, wo ihre Mutter untergebracht war, und auch deren Zimmer nicht. Es war mit dicken Teppichen ausgelegt, die jedes Geräusch verschluckten; auf dem Boden stand eine große, uralte Vase mit einem Sprung, von der die Vergoldung abblätterte; über dem Bett hingen alte Bilder in holzgeschnitzten Rahmen. Und im Bett lag, mit einer Flickendecke zugedeckt, ihre Mutter. Das Fenster war wie immer geschlossen, und auf dem Nachttisch brannte auf einer Untertasse eine Kerze.
    Die Mutter sah aus wie eine alte Frau, obwohl sie viel jünger war als der Vater der Jungen. Sie schien beinahe den Verstand verloren zu haben, das Fieber verzehrte ihr Gesicht und trocknete ihr Hirn aus.
    Der sonst so zappelige Mika, der normalerweise keine Minute still sitzen konnte, drückte sich an Turan. Die Brüder waren am Fußende des Betts stehen geblieben, unwillkürlich hielten sie sich so gut es ging von ihrer Mutter fern. Diese atmete laut, ihre dunklen Haare breiteten sich wie eine Decke über dem Kissen aus. Ihr Gesicht war von tiefen Furchen überzogen, die wie Risse in der Erde aussahen. Genau danach wurde die Krankheit benannt: Erdfieber. Die Haut der Mutter trocknete aus und begann aufzuplatzen. Immerzu verlangte es die Kranke nach Flüssigkeit. Sie trank große Mengen, aber der gestörte Stoffwechsel – diesen fachmännischen Ausdruck hatte Turan von einem Pilger-Arzt aus dem Kiewer Tempel – führte unweigerlich zum Tod.
    Während sie ihre Söhne mit von Fieber glänzenden Augen ansah, stützte sich die Mutter auf einen Ellenbogen auf und streckte eine magere Hand unter der Decke hervor.
    »Meine Kinder!«, stieß sie heftig hervor, und Mika zuckte zusammen.
    In letzter Zeit hatte sich in die Stimme ihrer Mutter etwas Fremdes, Erschreckendes eingeschlichen, als ob jemand anderes für sie sprechen würde.
    »Brecht auf!«, sagte die fremde, alte Frau vor ihnen. »Fahrt los, so schnell ihr könnt. Jetzt gleich!«
    Auf einmal begann sie zu weinen, zog die Tränen geräuschvoll durch ihre spitze, lange Nase hoch – Turan überlegte, ob die immer so spitz gewesen war – und wedelte dann mit beiden Händen in Richtung ihrer Söhne, als wollte sie Küken in den Stall scheuchen, weil am Himmel ein Habicht aufgetaucht war.
    Die ganze Szene machte einen beunruhigenden Eindruck auf die Jungen. Mika klammerte sich an Turans Ellenbogen. Der fasste seinen Bruder an der Schulter und zog ihn mit sich, während er sich auf Zehenspitzen rückwärts aus dem Zimmer bewegte. Auch durch die schon geschlossene Tür drangen heftiges Schluchzen und unverständliches Wehklagen zu ihnen.
    Erst als sie das Haus verließen, spürten die beiden Brüder, wie ihr Mut zurückkehrte. Es war heller geworden, die Sonne war jetzt über dem dunstigen Horizont aufgestiegen. Bald würde es so heiß werden, dass praktisch alles Kleinvieh, das in den Weiten des südlichen Ödlands lebte, sich in Höhlen und alte

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