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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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bezichtigt, ein Kreuz verbrannt zu haben, und fragte: »Wie könnte ich, wie könnte überhaupt jemand auch nur auf die Idee kommen, eine Bar niederzubrennen?«
    Die seltsame Aufteilung in Oberschicht und Arbeiterklasse sowie die ethnische Mischung von Iren und Italienern plus einem exklusiven Zirkel einiger der reichsten Familien in den Vereinigten Staaten, erschwerte es Manhasset seit jeher, sich selbst zu charakterisieren. Es war eine Stadt, in der sich Knirpse mit schmutzigen Gesichtern am Memorial Field trafen – um »Fahrrad-Polo« zu spielen; in der sich Nachbarn hinter ihren manikürten Hecken voreinander verschanzten – und dennoch die Geschichten und Marotten des anderen genau verfolgten; in der alle bei Sonnenaufgang mit dem Zug nach Manhattan fuhren – aber niemand wirklich für immer ging, außer im Sarg. Obwohl Manhasset das Flair einer kleinen Farmergemeinde verströmte, und obwohl von Immobilienmaklern als Schlafgemeinde bezeichnet, sahen wir uns immer als Bargemeinschaft. Die Bars schenkten uns Identität und Schnittpunkte. In Steves Bar hielten die Little League, die Softballmannschaft, der Bowlingclub und die Junior League nicht nur ihre Treffen ab, sie begegneten sich dort auch oft am selben Abend.
    Brass Pony, Gay Dome, Lamplight, Kilmeade’s, Joan and Ed’s, Popping Cork, 1680 House, Jaunting Car, The Scratch – wir kannten die Namen der Bars in Manhasset besser als die Namen der Hauptstraßen und Gründerfamilien. Mit der Lebensdauer von Bars verhielt es sich ähnlich wie mit Dynastien: An ihnen lasen wir die Zeit ab und fanden großen Trost in der Gewissheit, dass sich immer, wenn eine schloss, der Vorhang vor einer anderen auftat. Meine Großmutter erzählte mir, Manhasset gehöre zu den Orten, in denen die Worte einer alten Frau als Tatsache galten – nämlich dass, wer zu Hause trank, ein Alkoholiker sei. Solange man in der Öffentlichkeit trank und nicht heimlich, war man kein Trinker. Deshalb die Bars. Jede Menge Bars.
    Natürlich waren viele Bars in Manhasset – wie andernorts auch – üble Spelunken voller Betrunkener, die sich in Selbstmitleid suhlten. Einen solchen Laden lehnte Steve ab. Seine Bar sollte außergewöhnlich sein.
    Ihm schwebte eine Bar vor, die sich aus den mannigfaltigen Persönlichkeiten Manhassets rekrutierte. Einmal gemütlicher Pub, dann wieder verrückter Club nach Feierabend. Am frühen Abend ein Familienrestaurant, spät nachts eine verruchte Taverne, in der Männer und Frauen Lügen erzählten und bis zum Umfallen tranken. Für Steve sollte das Dickens ein Gegenpol zu der Welt draußen sein, das war sein Credo. Kühl in den Hundstagen, warm vom ersten Frost bis in den Frühling. Seine Bar sollte sauber und gut beleuchtet sein, wie das Wohnzimmer jener Bilderbuchfamilie, von der wir alle glauben, es gäbe sie, was aber nicht stimmt und niemals gestimmt hat. Im Dickens sollte sich jeder als etwas Besonderes fühlen, doch hervorstechen sollte niemand. Meine liebste Geschichte über die Bar handelte von einem Mann, der sich nach dem Ausbruch aus einer nahe gelegenen Nervenklinik ins Dickens verirrte. Keiner sah den Mann schief an. Keiner fragte ihn, wer er sei, warum er einen Schlafanzug trage oder warum seine Augen so wild funkelten. Die Leute in der Bar nahmen ihn in ihrem Kreis auf, erzählten ihm lustige Geschichten und spendierten ihm den ganzen Tag Drinks. Der arme Mann wurde erst und nur deshalb zum Gehen aufgefordert, als er plötzlich und ohne ersichtlichen Grund seine Hose fallen ließ. Und selbst dann schalten ihn die Barkeeper nur milde mit ihrem gewohnten Verweis: »Hören Sie – das geht aber nun wirklich nicht!«
    Wie Liebesbeziehungen gründen sich Bars auf eine empfindliche Mischung von Zeitpunkt, Chemie, Beleuchtung, Glück und – vielleicht am wichtigsten – Großzügigkeit. Steve erklärte von Anfang an, im Dickens dürfe niemand schlecht behandelt werden. Seine zarten Burger waren sieben Zentimeter dick und aus bestem Rindfleisch, die Sperrstunde war bei ihm verhandelbar, egal was das Gesetz vorschrieb, und seine Barmänner schenkten immer sehr – wirklich sehr – großzügig ein. Ein normaler Drink im Dickens wäre anderswo ein Doppelter gewesen. Nach einem Doppelten schielte man. Und ein Dreifacher zog einem die Schuhe aus, glaubte man meinem Onkel Charlie, dem jüngeren Bruder meiner Mutter und allerersten Barmixer, den Steve einstellte.
    Als echter Sohn von Manhasset glaubte Steve an Alkohol. Alles was er war, verdankte er dem

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