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Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Luckett
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haben. Sie war schwer und massiv, aber nicht unbeholfen. Man konnte sie in großen Bogen schwingen, aber sobald sie Schwungkraft bekam, zerrte eine Richtungsänderung an den Sehnen. Ich versuchte es, bis ich müde wurde. Dann legte ich mich auf dem Heuboden schlafen. Natürlich würde ich nicht viel schlafen. Fast gar nicht.
    Darum war ich sehr überrascht, als Silvus mich wach rüttelte. Es war noch nicht hell, die Stunde der ersten zaghaften Vogelrufe. Ich aß Haferbrei und trank Dünnbier, während Silvus und der Stallknecht meine Rüstung bereitlegten. Ein voller Magen, aber nicht zu voll. Dann wurde ich aufgezäumt, geradeso wie viele Pferde in diesem Raum bei Laternenschein aufgezäumt worden waren. Silvus fungierte als mein Knappe, eine Umkehrung, die ich kaum bemerkte. Unterziehwams, dann Kettenhemd mit Bart und Haube, Beinröhren und Kniekacheln, Diechlinge und Oberarmröhren, Unterarmröhren, Brust und Rücken, Eisenschuhe und Schultern. Helm und Handschuhe wurden erst am Kampfplatz angelegt. Obwohl er nicht weiter als hundert Schritte entfernt war, würden wir reiten. Die Pferde standen bereit und wurden geführt.
    Die Nachricht hatte sich rasch herumgesprochen, und Landleute stehen ohnedies früh auf. Das ganze Dorf war zur Stelle, das Schauspiel zu sehen. Der Landedelmann Heulmes musste seine Knechte und Jagdgehilfen um den Dorfanger postieren, um die Menge zurückzuhalten. Wir zogen im Schritt durch die Gasse, die sie für uns freimachte, und erwartungsvolle und aufgeregte Gesichter blickten zu uns auf. Es würde das größte Ereignis der Dorfgeschichte sein.
    Zuerst dachte ich, dass der Mann, der auf der Feldsteinmauer zu meiner Rechten saß, Kerben in Stecken schnitt, um die Schafe in der Einfriedung dahinter zu zählen. Dann wurde mir klar, dass er Wetten annahm.
    Der Dorfanger war nicht mehr als eine kleine Wiese, ungefähr fünfzig Schritte lang und zwanzig breit. Auf einer Seite fiel sie sanft zum Wasserlauf ab und wurde vom schlammigen Fahrweg zur Brücke entzweigeschnitten. Als das Licht zunahm, sah ich de Lacy und seinen Knappen von der anderen Seite auf den Anger reiten. Abseits saßen der Graf und der Rest unserer Reisegesellschaft auf ihren Pferden. Aus dem Haus drang noch Laternenschein, aber als Silvus und ich den Schauplatz des Geschehens erreichten, hatte sich das Grau im Osten schon stark aufgehellt, und über den Horizont fingerten goldene, rötlich getönte Strahlen. Ich blickte umher in den möglicherweise letzten Morgen meines Erdenlebens. Tau glitzerte auf den Gräsern und Hecken und die frisch gepflügten Felder rochen nach erdigem Leben. Über uns flog ein Keil Wildgänse südwärts zu den warmen Küsten des Binnenmeeres. Aus der Höhe drangen gedämpft ihre Rufe, und ein Teil von mir wollte mit ihnen fliegen.
    Als sie mich fragten, ob es eine Möglichkeit gebe, den Streit beizulegen, war ich nahe daran, ja, durchaus zu sagen. Aber Silvus antwortete für mich, wie wir vereinbart hatten. »Wenn Ser Joachim sich beim Edelmann de Parkin für seine Beleidigung entschuldigt, braucht nicht mehr gesagt zu werden.«
    Ser Joachims Knappe verzog den Mund in verächtlicher Grimasse. Seine Stimme klang klar und hoch. »Dann lasst Euren Mann absteigen und meinem Herrn auf dem Boden entgegentreten.« Er nickte knapp und wendete sein Pferd.
    Damit war die Sache entschieden. Ich saß ab und mein Pferd wurde weggeführt. Es schnaubte. Silvus setzte mir den Helm auf, während ich die Panzerhandschuhe anlegte. Von nun an war ich auf mich selbst gestellt. Ich würde von einem Ende des Kampfplatzes auf meinen Gegner zugehen und er von der anderen. Die Gesichter der Menge schienen im Morgenlicht zu glänzen, aber ihre Kleider aus selbst gewebter Wolle waren noch dunkel und stumpf, eine formlose Masse. Aufgeregtes Gemurmel ging durch die Reihen. An diesem Morgen würde die Arbeit nicht zeitig beginnen; dies war besser als ein Jahrmarkt.
    Silvus murmelte letzte Befehle, als er die verstärkenden Spangen meines Helms einklinkte. »Du kannst nicht weglaufen, aber du kannst ihn ein wenig herumführen. Wenn alles andere versagt, kannst du ihm einen Tritt vor die Kniescheibe versetzen. Es ist nicht höflich, wird aber verstanden. Aber selbst im Kampf auf Leben und Tod kannst du nicht auf ihn einschlagen, sobald er zu Boden gegangen ist. Was du brauchst, ist ein kräftiger Hieb auf Kopf oder Hals oder in die Nierengegend, solange er noch auf den Beinen ist.«
    »Du willst ihn tot.« Soviel war klar.
    Silvus

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