Tenebra 2 - Dunkle Reise
Zaubervorstellung von Jahrmarkt zu Jahrmarkt gezogen war. Doch hatte sie auch gesagt, dass die Gefahr nicht auf den Landstraßen gewesen sei. Also in ihrem Leben selbst? Ich konnte sie fragen, musste aber vor Grames ein bestimmtes Gehabe aufrecht erhalten. Für ihn war ich ein hohlköpfiger junger Höfling. Solange er sich nicht bei Barras erkundigte, konnte ich ihn vielleicht einlullen. Georghe kannte mich besser, war aber nicht, was man gesprächig nennen würde. Darum wählte ich meine Worte mit Bedacht und suchte den Weg zwischen den Unwahrheiten.
Ich wies auf meinen Teller. Im Gemüse war zu viel Essig. »Ihre verwitwete Wirtin bei der nördlichen Stadtmauer würde das Gemüse wahrscheinlich besser zubereitet haben«, sagte ich zu ihr. Sie lächelte, und es schien ein erleichtertes Lächeln zu sein.
»Ja, sie brachte gutes Essen auf den Tisch.«
»Eine Erleichterung nach den Unbequemlichkeiten und Gefahren der Reise.« Ihre Augen wurden ein wenig schmaler; sie merkte, dass mein Ton falsch war. Ich blickte zu Grames, der zuhörte.
»Die Reisen waren nicht gefährlich, nicht wirklich«, sagte sie langsam. »Auch nicht die Vorstellung, wenn wir vorsichtig waren…«
»Arienne«, sagte Grames. Sie verstummte. »Mein Umhang kam beschädigt von der Wäscherin zurück. Das Band zum Zuziehen ist halb abgerissen. Würdest du so gut sein, es wieder anzunähen? Ich werde ihn brauchen, wenn wir das Gepäck für die zweite Etappe unserer Reise zur anderen Barke bringen.«
»Dann fahren wir heute Nacht?« Das war Silvus.
»Morgen früh, Ser. Aber es gibt keine Zeit zu verlieren. Die Barke wird beim ersten Licht am Kai liegen. Ich habe Vorbereitungen zu treffen. Arienne, ich werde dir den Umhang geben, und dann kannst du mit mir zum Markt hinunter gehen. Vielleicht fällt dir das eine oder andere ein, das ich vergessen habe. Einen angenehmen Nachmittag, meine Herren. Wir werden uns zum Abendessen wieder sehen.« Er stand auf, sie folgte seinem Beispiel, und ich sprang auf, um ihr den Stuhl zu halten.
Sie schenkte mir ein halb verwundertes, halb besorgtes und halb ermutigendes Lächeln, als sie ging. Das waren drei Hälften. Mir war es gleich.
Ein langer Nachmittag voller Unruhe und Sorge schloss sich an. Mir schien, dass Barras meine Überwachung verschärfte. Einer seiner Knechte folgte mir diskret überallhin, blieb sogar hinter der nächsten Ecke und wartete, wenn ich zur Latrine hinter dem Haus ging. Grames war auch falsch, oder vielleicht nur vorsichtig. Er schickte Nachricht, dass sie aufgehalten seien und nicht zum Abendessen erscheinen würden. Silvus und ich hatten wenig Appetit darauf, was daran liegen mochte, dass wir Barras beim Essen zusehen mussten.
Als er fertig war, stieß er seinen Stuhl zurück und ging hinaus, vermutlich, um seine Männer für die Nachtwachen einzuteilen. Binnen kurzem würde jemand kommen und wieder Wache halten und lauschen, aber im Augenblick waren Silvus und ich allein. Unsere Stimmen trugen nicht bis zur Tür oder dem Fenster, wenn wir halblaut miteinander sprachen.
»Ich glaube, Arienne ist schließlich zu dem Schluss gelangt, dass sie dich mag«, sagte er. »Ein verständiges Mädchen, offensichtlich.«
»Sie hat Angst«, erwiderte ich. »Schon seit langem.«
Er nickte. Silvus zweifelte nie an dem, was ich sagte, fragte mich auch nicht, wie und woher ich dies oder jenes wusste.
»Wovor?«, fragte er. »Oder sollte ich sagen: vor wem?«
»Die leichte Antwort wäre Grames. Er ist beängstigend genug. Aber das ist es nicht.«
»Nathan vielleicht? Weil er dieses Kollegium magischer Kraft gründen will? Ich muss zugeben, dass dieser Teil mir die größten Sorgen macht.«
»Nein. Sie sagte, sie sei in Gefahr gewesen, bevor diese Sache sich entwickelte. In der Vorstellung selbst, nicht auf der Landstraße. Wegen ihres Talents, irgendwie.«
»Ihres Talents?«
Ich hatte vergessen, dass Silvus nichts davon wusste. Von Tenabra bis hierher hatte er beinahe die ganze Zeit Grames am Hals gehabt, und der würde ihm nichts anvertraut haben, nur weil er an einem sonnigen Nachmittag auf einer Barke saß, den Fluss betrachtete und sich mit jemandem unterhielt. Ich klärte Silvus mit wenigen Worten auf, während er sich nachdenklich den Schnurrbart strich. Am Ende nickte er wieder.
»Also hat Grames kein eigenes Talent«, sagte er. »Ich frage mich, ob Nathan das weiß?«
»Ich würde sagen, dass er es nicht weiß. Wer hätte es ihm gesagt? Grames selbst? Oder Arienne?«
Silvus
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