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Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten

Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten

Titel: Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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erlöschen, in dem er sich direkt mit seinen Mitmenschen auseinanderzusetzen hatte.
    Frazier hatte sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet, obgleich er über keine psychologische Fachausbildung verfügte – im Gegensatz zu seinen Vorgängern. Er hatte keine großen Chancen im Flottendienst gesehen, als Kommunikationsoffizier ohnehin nicht, vor allem nach den letzten Streichungen im Etat.
    Die Tatsache, dass sein eigener Bruder am Asperger-Syndrom litt, einer speziellen Form von Autismus, mit in mancher Hinsicht vergleichbaren Symptomen wie jene, mit denen DeBurenberg lebte, hatte möglicherweise dazu beigetragen, dass er für diesen Posten akzeptiert worden war. Seine Versetzung ins irdische Zentralsystem, das er nie zuvor besucht hatte, und auf die den Jupiter umkreisende Forschungsstation, war dann nur noch eine Formalie gewesen. Diese Entscheidung konnte sich als Sackgasse für seine Karriere erweisen, oder als neuer Aufbruch. In jedem Falle entfernte sie ihn bis auf weiteres von gewissen Teilen der Marinehierarchie, mit denen er potentiell aneinander geraten konnte. Er hoffte, bei Wissenschaftlern eine wärmere Aufnahme zu finden, wenngleich das Konzept menschlicher Wärme diesem Exemplar nur höchst abstrakt bekannt war.
    »Dr. DeBurenberg, gibt es Dinge oder Dienstleistungen, die Sie wünschen und die ich Ihnen beschaffen soll?«
    »Die Rechnereinheit 17 ist bereits vor einer Woche ausgefallen«, erwiderte DeBurenberg prompt. »Ich will, dass sie ersetzt wird.«
    »Ich werde das veranlassen«, sicherte Frazier zu. »Gibt es weitere Dinge?«
    »Der Kaffee schmeckt bitter. Der Automat muss neu eingestellt werden.«
    »Ich werde mich sofort darum kümmern. Welchen Fortschritt macht Ihre aktuelle Aufgabe?«
    »Ich bin fertig und bereits mit dem nächsten Problem befasst.«
    Frazier wusste das natürlich. Die Fortschritte des Labors wurden akribisch aufgezeichnet. Aber er wollte die Konversation auf Dinge beschränken, von denen er ahnte, dass sie DeBurenbergs Interesse finden würden. Er nickte, vergaß für einen Moment, dass diese Geste seinem Gegenüber nichts sagte, wenn er sie nicht in einen konkreten verbalen Kontext stellte.
    »Ich gehe«, kündigte er an. »Sie können sich jederzeit an mich wenden, wenn Sie etwas benötigen. Zu wirklich jeder Zeit.«
    Für einen Moment sah er etwas wie Anerkennung in DeBurenbergs Augen aufflackern. Der Wissenschaftler hatte bereits vor Jahren jeden Bezug zu einem Tag-Nacht-Rhythmus verloren. Er schlief viel und ausgiebig, aber exakt nach seinen Bedürfnissen und ohne Rücksicht auf Zeitpläne. Die Tatsache, dass der Offizier sich diesem Habitus unterwarf, ohne Fragen zu stellen, schien das Wohlgefallen des Genies zu wecken.
    Ohne weiteren Gruß, den DeBurenberg als unverständliche soziale Floskel ohnehin nicht wahrgenommen hätte, erhob Frazier sich und verließ das Labor. Er betrat sein direkt angrenzendes Büro, wo der kommandierende Offizier von Thetis, Colonel Robert Delivier, bereits auf ihn wartete.
    Der kleine, fast zwergenhafte Mann genoss das Vertrauen der Admiralität. In Fraziers Augen war er damit so etwas wie ein Aussätziger. Immerhin, das musste auch er anerkennen, trug Delivier einen Doktortitel in Nuklearphysik, den, so sagten die Gerüchte, er ganz und gar rechtmäßig erworben hatte. Der Colonel hatte demnach wissenschaftliche Meriten. Trotzdem war sicher einer der Gründe dafür, dass er diesen wichtigen Posten gewonnen hatte, seine Intimität mit der aktuellen Flottenführung. Und mit der wollte Frazier, notfalls auch auf Kosten seiner eigenen Karriere, nicht intim werden. Er stammte von einer der Kolonialwelten – Tantrum – und hatte seine Familie während der Kolonialkriege verloren. Sie waren unschuldige Opfer eines Flächenbombardements, mit dem die Flottenführung die renitente Regierung Tantrums aus der Kolonialallianz hatte lösen wollen. Frazier war zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr in Haft gewesen: Alle Offiziere aus den Kolonien waren mit Beginn der militärischen Auseinandersetzungen in Schutzhaft genommen worden, auch und gerade grüne Aspirants wie er. Bis zum Ende des Krieges hatte Frazier in Haft gesessen, und dann war sein kometenhafter Aufstieg gefolgt, denn letztendlich hatte an seiner Loyalität kein realer Zweifel bestanden – und an seinen Fähigkeiten ohnehin nicht. Dabei hätte man nach dem gewaltsamen Tod seiner Familie berechtigterweise annehmen müssen, dass seine Begeisterung für die Sphäre sehr begrenzt

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