Teufelsengel
Als hätte die Zuwendung, die er von Pia erfuhr, es geglättet. Und als hätte er Pias Blick gespürt, schaute er auf.
Sein Blick war voller Vertrauen.
Eine Weile hielt er so inne, dann stürzte er sich mit erhöhtem Eifer auf die Stelle, die er gerade freigelegt hatte. Vielleicht war er einer Wühlmaus oder einem Maulwurf auf der Spur. Vielleicht hatte ein anderer Hund hier einen Knochen vergraben. Vielleicht wollte er einfach Spannung abbauen.
Pia lehnte sich gegen einen Baumstamm. Sie wollte Snoop noch ein wenig Zeit lassen, bevor sie ins Haus zurückging und nach etwas Essbarem Ausschau hielt. Bruder Miguel, der für die Küche zuständig war, würde sie vielleicht noch frühstücken lassen, obwohl es dafür eigentlich zu spät war. Es gab strenge Regeln im Klosteralltag.
Vero und die Brüder nahmen die Mahlzeiten im Refektorium ein, dem Speisesaal im Haupthaus des Klosters. Sie frühstückten gleich nach der Morgenandacht, die schon um fünf Uhr begann. Pia und die übrigen Mitglieder des inneren Kreises, die im Kloster lebten, aßen in einem kleinen Speiseraum des Gästehauses. Sie trafen sich um sieben zum Frühstück. Für Gäste gab es zwischen acht und neun ein Frühstücksbüffet in der Cafeteria.
Jetzt war es kurz vor zehn. Da begannen in der Küche schon die Vorbereitungen für das Mittagessen.
Als Snoop sich ausgetobt hatte, waren seine Schnauze und die Vorderpfoten schwarz von der Erde. Er schüttelte sich zufrieden.
»Hunger?«, fragte Pia.
Er legte den Kopf schief.
»Dann komm.«
Gemächlich überquerten sie die weite, moosige Grünfläche und spazierten an den Hauswirtschaftsräumen entlang auf das Gästehaus zu. Eine friedliche, vollkommene Stille lag über den Gebäuden.
Und dann hörte Pia den Schrei.
Abrupt blieb sie stehen. Auch Snoop stand da wie erstarrt, den Kopf lauschend erhoben.
Die Stille, die folgte, war schmerzlich dicht.
Pia hatte das Bedürfnis, sich die Ohren zuzuhalten, um sich zu wappnen. Doch sie tat es nicht.
Diesmal hörte der Schrei gar nicht mehr auf. Er drang in Pias Kopf ein, und sie wusste, dass sie ihn nie mehr vergessen würde.
Sie stand da, an diesem Tag, der so schön zu werden versprach, und war unfähig, sich zu bewegen.
Sie wusste instinktiv, dass etwas Unaussprechliches geschah.
Dass es einem andern geschah.
Und dass sie die Nächste sein würde.
Kapitel 14
Schmuddelbuch, Samstag, 15. November
Sitze im Dinea. Mein Zuckerspiegel ist abgesackt. Das passiert manchmal, und wenn ich dann nichts zu mir nehme, kriege ich das große Flattern.
Sie haben hier ein tolles Büffet. Kuchen. Desserts. Salate. Aber allein beim Anblick der Sachen dreht sich mir der Magen um.
Wie kann man zwischen zwei Tatorten essen?
Ich habe mich schließlich für ein Käsebrötchen und ein Glas Tee entschieden. Kaue jeden Bissen ewig. Mir graut vor dem Aufbruch.
Denn dann werde ich mir anschauen, wo Ingmar Berentz ermordet wurde. Hier im Parkhaus, ein Deck unter dem, wo jetzt mein Wagen steht.
Weiche Knie. Fluchtgedanken. Warum tu ich mir das an.
Als nächstes werde ich nach Sülz fahren, wo Alice gestorben ist. Und dann zum Fühlinger See.
Sie sind unserer Alice sehr ähnlich.
Möchte ich deshalb den Hinterhof des Rainbow lieber nicht betreten? Weil ich befürchte, dort meinem eigenen Tod zu begegnen?
Scheißescheißescheiße.
Noch am Nachmittag der Beerdigung hatte Bert versucht, Romy Berner telefonisch in der Redaktion zu erreichen. Er hatte dort erfahren, dass sie zu Recherchen unterwegs war.
»Recherchen?«, hatte er gefragt. »Als Volontärin?«
Das Schweigen am anderen Ende der Leitung war ihm Antwort genug gewesen. Es deutete auf Kompetenzgerangel hinter den Kulissen hin.
»Wann erwarten Sie Frau Berner denn zurück?«
»Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Sie kommt und geht, da gibt es keine festen Zeiten.«
Die freundliche Dame am Telefon hatte ihm Romy Berners Handynummer genannt. Doch in den folgenden Stunden war Bert zu beschäftigt gewesen, um einen zweiten Versuch zu starten. Als er endlich die Nummer wählen wollte, hatte Rick ihm abgeraten.
»Du kannst Journalisten nicht in ihrer Arbeit behindern, Bert.«
»Stimmt.«
»Du kannst sie höchstens bremsen, wenn sie unseren Ermittlungen in die Quere kommen.«
»Stimmt.«
»Und ihnen Schwierigkeiten machen, wenn sie Informationen zurückhalten, die zur Aufklärung eines Falls beitragen könnten.«
»Stimmt.«
»Also lass das Mädchen ruhig herumschnüffeln. Es wird eh
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