0136 - Die Feuerhexe
»Ladies and Gentlemen!« rief der Ansager, »und nun die Sensation unseres Programms…« Er legte eine kurze Pause ein, um die Spannung zu erhöhen. »Beifall für ihn. Für den Star, unseren weltberühmten Hypno-Man.«
Der Ansager klatschte kräftig in die Hände und feuerte so die anderen Zuschauer mit an.
Hypno-Man hörte den Beifall hinter dem Vorhang, und seine Augen begannen zu glänzen, weil er sie mit einem Spezialmittel präpariert hatte.
Der Vorhang schwang auf.
Dunkel auf der Bühne.
Dann ein heller Kreis, der im Zickzack wanderte und dabei in der oberen Bühnenhälfte blieb.
Im Zuschauerraum hatten sich die Klatscher beruhigt. Jemand rief: »Ei, wo ist er denn?«
Ein paar andere lachten.
»Hat er sich versteckt?«
»He, Hypno-Man, du traust dich wohl nicht, wie?« Die jugendlichen Zuschauer machten sich einen Spaß daraus, den Hypnotiseur ein wenig auf den Arm zu nehmen.
Trommelwirbel.
Wieder zuckte der helle Kreis über die Bühne – und kam zur Ruhe. Er war auf einen Mann geschleudert worden, der den Mittelpunkt des Kreises bildete.
Mr. Hypno-Man!
Wieder der Beifall. Hypno-Man breitete die Arme aus, ließ sich feiern und trank den Applaus. Nach einer Weile winkte er beschwichtigend ab, lächelte und sorgte dafür, daß seine Assistentin aus dem Dunkel des Bühnenhintergrundes erschien.
»Ariane, mein Medium«, stellte er die schwarzhaarige Frau im langen roten Kleid vor. »Beifall auch für sie.«
Ariane bekam ihren Applaus und verbeugte sich artig.
Dann begann Hypno-Man mit seiner Schau. Er versetzte Ariane in Trance, holte einen Mann auf die Bühne, der über das am Boden liegende hypnotisierte Mädchen hinwegschritt, und ließ seine Assistentin auch schweben. Das alles begleitete er mit wohl einstudierten Worten, mit perfekten Gesten und einer weichen Stimme.
Hypno-Man war nicht, wie viele seiner Berufskollegen, dunkel gekleidet, sondern stach hervor. Er trug ein Show-Kostüm in der Disco-Mode. Glitzernd, silbrig schillernd, hauteng, dafür aber mit einem breiten Schalkragen versehen, so wie man sie bei den Mänteln aus der Zeit der Französischen Revolution sah.
Früher war er einmal Arzt gewesen, jedenfalls behauptete er das immer. Nun aber verdiente er seine Brötchen im Showbusineß. Er tingelte durch Europa, trat aber nur in zweitklassigen Kabaretts auf, die internationale Klasse fehlte ihm. Aus diesem Grunde würde ihm auch nie der Sprung in die USA gelingen, aber Mr. Hypno-Man hatte auch so sein Auskommen, und Ariane, seine Geliebte, lebte ebenfalls nicht schlecht.
Er erweckte sie aus ihrer Trance, und beide nahmen mit hocherhobenen Armen den Beifall des Publikums entgegen.
Dann winkte Hypno-Man beschwichtigend ab. Er nahm das Mikro. Ariane verschwand im Dunkel der Bühne, während er im Scheinwerferlicht stand.
»Und nun, Ladies and Gentlemen, kommen wir langsam zum Höhepunkt des Abends. Aber dazu brauche ich Ihre Mithilfe. Ich weiß, daß es einen Kollegen gibt, der die ersten beiden Zuschauerreihen auf die Bühne holt und alle Menschen hypnotisiert, um mit ihnen seine Späße vorzuführen. Ich könnte das auch, aber ich möchte sie nicht kompromittieren. Trotzdem brauche ich Ihre Hilfe. Und zwar die Unterstützung einer Dame. Wer meldet sich freiwillig?«
Stille. Hier und da ein verlegenes Räuspern, mehr nicht.
»Aber ich bitte Sie, meine Herrschaften, es ist ohne Risiko für Sie. Wirklich…«
Dann, aus der dritten Reihe, eine Stimme.
Eine Frauenstimme. »Ich komme.«
»Licht!« rief der Hypnotiseur. »Licht bitte…«
Ein zweiter Scheinwerfer flammte auf. Sein Strahl wanderte über die Köpfe der Zuschauer und erfaßte am linken äußeren Rand die Gestalt einer blonden jungen Frau.
»Applaus für die Mutige!« rief Hypno-Man. Er klatschte wieder in die Hände. Vom Beifall begleitet, betrat die Zuschauerin die Bühne.
Dort wurde sie begrüßt. Hypno-Man präsentierte sie dem Publikum.
»Die mutigste Frau der Welt. Da steht sie!« Er lachte und klatschte weiter. »Darf ich um Ihren Namen bitten, Verehrteste?«
»Ich heiße Godwina.«
Ihre Stimme war kalt. Überhaupt machte das Girl keinen schüchternen Eindruck, wie man es oft bei Gästen sieht, die aus dem Publikum auf die Bühne kommen. Sie schien mit allen Wassern gewaschen zu sein und wußte sich auch zu bewegen.
Selbst Hypno-Man zeigte sich irritiert. Er wußte einen Augenblick lang nicht, was er sagen sollte. Diese Frau war ihm nicht geheuer. Von ihr ging eine Aura aus, die ihn abstieß, das
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