Teufelsengel
Kollegin vor mir da gewesen.«
»Und das war Romy.«
»Das war Romy. Eindeutig. Die Beschreibungen haben gestimmt.«
»Und weiter?«
»Ich bin davon überzeugt, dass sie der Sache auf die Spur gekommen ist.«
Calypso sank auf die Bettkante. Er presste das Handy ans Ohr. Am liebsten hätte er losgeflennt.
»Was weißt du darüber?«, fragte er mit gespielter Ruhe.
Ein kurzes Zögern, dann sprang Ingo über seinen Schatten und gab, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, eine Information preis, ohne selbst einen Nutzen davon zu haben.
»Meine Spuren führen nach Husum. Es hat dort vor einiger Zeit eine Fotoausstellung verschiedener Künstler zum Thema Kosmos Mensch gegeben. Über Umwege bin ich an den Katalog geraten.
Einer der Künstler hat Symbole fotografiert. In Baumrinde geritzt, in Sand gemalt. In die Haut gestochen.«
»Tattoos.«
Calypso saß wie erstarrt. Die Kälte verwandelte ihn allmählich in Stein.
»Richtig. Zwei der Toten aus Köln hatten solche Tattoos, einmal ein Buch, einmal einen Fisch. Beide fanden sich in dieser Ausstellung wieder.«
»Was sagt die Polizei dazu?«
»Das fragst du einen Journalisten? Wir haben eine äußerst gestörte Beziehung zu den Bullen. Wer selbst nur widerwillig mit Infos versorgt wird, geht im umgekehrten Fall nicht gern verschwenderisch damit um.«
So ähnlich hatte Romy sich auch schon geäußert.
»Wer ist dieser Fotograf?«, fragte Calypso.
»Ein Ordensbruder, der, aus welchem Grund auch immer, anonym bleiben möchte. Die Agentur hält dicht, da ist nichts zu machen.«
»Komisch.« Calypso bewegte die Beine, damit ihm wärmer wurde. »An einer Ausstellung teilzunehmen, bedeutet für einen Künstler doch, dass er sich der Öffentlichkeit stellt. Das tut er nicht, wenn er im Schutz der Anonymität bleibt.«
»Eben.«
»Und Romy ist diesem Typen auf die Spur gekommen und …«
»Romy hat sich der Story möglicherweise von einer ganz anderen Seite genähert.« Ingos Stimme verriet jetzt Unsicherheit. »Vielleicht mache ich mir auch völlig unbegründet Sorgen. Es ist nur sonderbar, dass wirklich niemand zu wissen scheint, wo sie steckt.«
»Lass uns in Verbindung bleiben.« Calypso zerrte seinen Rucksack aufs Bett und fing an, seine Sachen hineinzustopfen. »Ich komme so schnell wie möglich nach Köln zurück. Bis dahin fällt mir vielleicht ein, wo wir sie finden können.«
Bruder Rafael war wie seine Stimme, freundlich und ruhig. Für seine etwa fünfzig Jahre waren seine schulterlangen grauen Haare ein bisschen zu lang. Er trug sie im Nacken gebunden, und wäre die braune Kutte nicht gewesen, hätte man ihn nicht für einen Mönch gehalten.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er und sah abwartend von Bert zu Rick.
»Mein Kollege und ich«, sagte Bert, »ermitteln in zwei Mordfällen, zu denen wir Ihnen gern ein paar Fragen stellen möchten.«
Bruder Rafael hob abwehrend die Hände.
»Mord? Und da kommen Sie zu uns?«
»Kennen Sie diese beiden oder einen von ihnen?«
Rick hielt ihm ungerührt ein Foto von Thomas Dorau und eins von Sally Jensch unter die Nase.
»Ach, wissen Sie, ich bin für die Unterbringung der Gäste zuständig. Hier ist ein ständiges Kommen und Gehen - wie soll man sich da einzelne Gesichter merken?«
Er betrachtete die Fotos genauer. Dann schüttelte er bedauernd den Kopf.
»Tut mir leid. Ich kann Ihnen leider nicht helfen.«
»Vielleicht doch.« Bert setzte sich unaufgefordert auf einen der Stühle, die um einen runden Tisch standen. »Erzählen Sie uns ein bisschen über das Kloster und Ihre Gemeinschaft.«
Rick folgte seinem Beispiel, und Bruder Rafael kam gezwungenermaßen hinter seinem Schreibtisch hervor und tat es ihnen gleich.
»Wo soll ich da anfangen?«
Er rieb sich nervös die Hände.
»Die Getreuen«, kam Bert ihm zu Hilfe. »Was ist das für eine Gemeinschaft?«
Bruder Rafael begann zu erzählen. Bert lehnte sich zurück und hörte zu. Er beobachtete, wie Rick die Beine übereinander schlug und mit dem Fuß wippte. So oder ähnlich hatten sie alle geredet. Doch in seiner Gesamtheit war das, was hier vor ihnen ausgebreitet wurde, am spektakulärsten.
Eine sogenannte Bruderschaft. Ein Abt mit dem sprechenden Namen Vero. Zwölf (!) Jünger an seiner Seite. Rückkehr zum Urchristentum. Und das Ganze unter dem schützenden Mantel der katholischen Kirche, den man doch eigentlich lieber zerrissen hätte.
Ultrakonservativ, dachte Bert, auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Diese
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