Teufelsleib
eisig, als wollte sie ihn nachträglich töten für das, was vor Jahren gewesen war. Es war einer dieser Momente, in denen sie ihre Sachlichkeit den Gefühlen opferte.
»Entschuldigung, ich hab nur gerade einiges durchgespielt. Womit wurde sie deiner Meinung nach erdrosselt? Sie wurde doch erdrosselt, wenn ich dich richtig verstanden habe, oder?«
»Davon können wir ausgehen. Aber womit? Keinesfalls mit einem Draht oder einer Schlinge, auch ein Seil oder Tau kann ich mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit ausschließen, sonst wären deutliche Spuren des Tatwerkzeugs in Form von Drosselmarken zu sehen. Vielleicht ein Tuch oder ein Schal, irgendwas in der Richtung.«
»Wie lange hat es gedauert?«
»Wie lange hat was gedauert? Nach so vielen Jahren bei der Polizei müsstest du eigentlich wissen, wie lange Erwürgen oder Erdrosseln dauert«, sagte sie schnippisch und sah ihn herausfordernd an. Doch Brandt ignorierte sowohl den Tonfall als auch den Blick. Und wenn sie ihn noch so sehr provozierte, er würde nicht darauf eingehen.
»Na ja, es gibt nun mal bestimmte Dinge, die dich partout nicht interessieren. Hab ich recht oder hab ich recht?«, startete sie einen erneuten Versuch, ihn aus der Reserve zu locken.
»Na ja, ganz ehrlich, ich habe erst zwei Fälle zu bearbeiten gehabt, wo jemand erwürgt wurde. Mich interessiert, ob sie lange leiden musste.«
Andrea atmete einmal tief durch. »Kann ich nicht sagen, Erwürgt oder erdrosselt zu werden ist kein schneller Tod. Man geht von vier bis sieben Minuten, manchmal auch zehn Minuten aus, bis der Tod eintritt, es sei denn, der Täter ist entsprechend ausgebildet und kann durch einen professionellen Druck mit beiden Daumen auf die Carotis eine sofortige Bewusstlosigkeit auslösen. Ansonsten ist es für das Opfer eine sehr qualvolle Angelegenheit. Ich kann mir einen schöneren Tod vorstellen.«
»Könnt ihr herausfinden, ob sie von hinten oder von vorn erdrosselt wurde?«
»Eine unserer leichtesten Übungen. Sonst noch was?«
»Und sie wurde definitiv erdrosselt und nicht erwürgt?«
»Mannomannomann!«, keifte sie ihn an, um gleich wieder ruhiger zu werden. »Wäre sie erwürgt worden, wäre ihr Hals rot und blau, das heißt, er wäre mit Hämatomen übersät. Sie wurde erdrosselt … Weißt du was, ich schlage vor, dass du beim nächsten Auffrischungskurs mal wieder bei uns vorbeischaust, sofern es deine kostbare Zeit erlaubt. Und wenn du dann schon hier bist, solltest du ausnahmsweise mal zuhören, wenn die äußeren Leichenmerkmale beschrieben werden. Nächste Woche ist es wieder so weit, dreißig Beamte sind geladen, und du hast meines Wissens auch eine Einladung erhalten. Es ist eine Pflichtveranstaltung, die du besuchen solltest, du könntest sonst Ärger bekommen. Kannst dir ja wie die meisten deiner ach so sensiblen Kollegen ein mit Parfum getränktes Taschentuch vor die Nase halten, wenn Bock und ich hier unten unseren Vortrag halten. Und du brauchst auch nicht dabei zu sein, wenn wir die Leiche öffnen. Aber ich würde dir dringendst raten, zu erscheinen.«
»Sag mal«, Brandt fuhr sich mit der Hand übers Kinn, als hätte er die letzten Sätze nicht gehört, »wieso hast du das vorhin mit dem Strich erwähnt? Ich wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, sie damit in Verbindung zu bringen.«
»Weiß auch nicht«, antwortete sie ausweichend.
»Ach komm, so was sagst du nicht einfach so.« Er sah sie durchdringend an, denn er spürte, dass sie ihm etwas verschwieg.
Sie mied seinen Blick und drehte sich gleich wieder zu der Toten hin. »Also gut, wenn du’s unbedingt wissen willst: Es ist ein Bauchgefühl. Vielleicht ihre Kleidung, vielleicht der kleine, aber edle Parfumflakon, der sich in ihrer sündhaft teuren Handtasche befand. Und außerdem, sie ist einundzwanzig und trägt verdammt teure Unterwäsche, um nicht zu sagen Reizwäsche. Entweder hatte sie einen reichen Freund, von dem niemand etwas wissen durfte und der das Außergewöhnliche liebte, oder sie hat sich durch Prostitution etwas nebenbei verdient. Für mich gibt’s nur diese beiden Möglichkeiten. Ich tippe auf Zweiteres.«
»Du sprichst immer mehr in Rätseln«, sagte Brandt mit gerunzelter Stirn.
»Okay«, erwiderte Andrea Sievers und setzte sich auf einen Hocker, ihre eben noch miese Laune schien mit einem Mal verflogen, denn sie fühlte sich ihm für einen Augenblick überlegen, indem sie ihm auf die Sprünge half und Ermittlerin spielte. »Du hast sie ja gesehen, als
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