Teuflische Kuesse
merkwürdig. Ich hätte
geschworen, ich sei nicht der Typ Mann, der sich mit einem einzigen Kuss
zufrieden gibt, wenn ein Mund so süß ist wie der Ihre.« Ein sündhafter Schauer
ließ sie vor Vorfreude beben, als er mit dem Daumen leicht über diese besagten
süßen Lippen strich. »Sie brauchen keine Angst zu haben, Laura. Sie haben mir
doch selbst erklärt, dass ich niemals die Tugend meiner Verlobten aufs Spiel
setzen würde. Ich versichere Sie, auch für den zurückhaltendsten Bräutigam ist
es nicht ungewöhnlich, seiner Braut schon vor der Hochzeit hin und wieder einen
Kuss zu stehlen.«
Eine Wolke
trieb heran und verdunkelte den Mond. Alles gekünstelte Gehabe schmolz dahin,
sie waren nur noch zwei Fremde in dunkler Nacht. Laura war sich nur allzu
deutlich des frischen, seifigen Dufts seines frisch rasierten Gesichts bewusst
und des warmen Atems, der ihren Mund den Bruchteil eines Augenblicks
streichelte. Bevor er seine Lippen auf die ihren legte.
Laura hatte
geküsst, aber sie war noch nie geküsst worden. Was einen feinen, aber
profunden Unterschied machte. Zu Anfang schien es ihm zu genügen, mit
prickelnder Zärtlichkeit seinen Mund über ihren zu streichen und die seidige
Fülle zu genießen. Doch ihre Lippen erblühten unter seinem aufreizenden Druck,
bevor Laura selbst es noch richtig begriff und öffneten sich gerade weit genug,
ihn hereinzubitten. Er bedurfte keiner sonderlichen Überredungskunst.
Laura
keuchte, als die raue, süße Zunge in ihren Mund drang. Er legte ihr die Hand an
den Hinterkopf und küsste sie tiefer.
Sie hatte
sich geirrt. Er überredete sie sehr wohl. Nicht mit witzigen, schlagfertigen
Repliken oder vorsichtigem Necken, sondern mit
dem wortlosen Versprechen, ihr verbotene Freuden zu
schenken. So schockierend diese Intimität auch war, sie musste ihm mit eigener
Zunge antworten und ihre Zunge über die
seine tanzen lassen, auch wenn ihr schüchterner Wagemut sie selber in
Erstaunen versetzte. Er knabberte an ihr, schmeckte sie, streichelte sie und
schien über jede neue Empfindung nachzusinnen, als hätte er die ganze Nacht,
um ihren Mund zu verwöhnen.
Im Wald
hatte Lauras Kuss ihn aus kurzer Bewusstlosigkeit erweckt. Hier in der
Dunkelheit des Salons war er es, der sie erweckte.
Aus lebenslangem Schlummer. Er ließ ihr das Blut vom Herzen zu den geheimsten
Körperstellen strömen, wo es mit unablässigem, hartnäckigem Schlag pochte.
Als sie
schon glaubte, vor schwindeligem Staunen in Ohnmacht zu fallen, löste er sich
von ihr. Doch stellte sie schnell fest, dass
sein Mund nicht weniger beredt war, wenn er ihre Wangenknochen berührte, das
Grübchen unterhalb ihrer Kehle oder die zarte Haut unterm Ohr.
»Sagen Sie
wieder Liebling zu mir«, flüsterte er und fing mit den Zähnen ihr Ohrläppchen.
»Hm?« Sie
schnappte nach Luft, als seine Zunge flink ihr Ohr liebkoste.
»Sagen Sie
Liebling zu mir. Sie haben mich heute noch kein einziges Mal so genannt. Es
fehlt mir.«
Sie ließ
den Kopf in den Nacken fallen, als sein Mund sich zu ihren gierigen Lippen
zurückschmeichelte. Sie grub ihm die Finger ins Haar, suchte Halt in einer
Welt, die gefährlich unter ihren Füßen wankte.
»Oh ...
Liebling«, seufzte sie.
Ihre
Kapitulation wurde mit einem Kuss belohnt, der noch süßer und tiefer war als
der zuvor.
Aber so
leicht war er nicht zufrieden zu stellen. »Nennen Sie mich beim Namen«, drängte
er.
Laura
konnte sich einen lähmenden Moment lang an nichts mehr erinnern. Sie war
dermaßen verwirrt, dass sie sich kaum an ihren eigenen Namen erinnerte. Und
den, den sie ihm gegeben hatte, schon gar nicht. »Uh ... hm ... Nicholas.«
»Noch mal«,
flüsterte er an ihren Lippen.
»Nicholas
... Nicholas ... Nicholas ...« Ein atemloser Refrain, der auf jeden Kuss
folgte. Wenn das hier kein »Augenblick großer Leidenschaft« war, dann wusste
Laura nicht weiter. »Oh, Nicky ...«
Ihr
kehliges, hingebungsvolles Gurren wäre fast Nicholas' Verderben gewesen. Wäre
Laura nicht längst eine Lügnerin gewesen, er hätte sie zu einer gemacht. Indem
er bewies, dass er eben doch der Typ Mann war, der die Tugendhaftigkeit seiner
Verlobten aufs Spiel setzte. Die Sorte Mann, die sich ein Mädchen auf den Schoß
zerrte und ihren Protest mit tiefen, berauschenden Küssen erstickte. Die Sorte
Mann, die Versprechen machte, die er nicht im Geringsten zu halten gedachte.
Doch
diesmal würde er ein Leben lang an sein Versprechen gebunden sein.
Als
Nicholas das begriff, gelang ihm das
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